Wieso, weshalb, warum die Zucht Pferde verändert

31. Mai 2023

Was hat die Französische Revolution mit Reiten und Pferdezucht zu tun? Diese Frage ist durchaus berechtigt, schließlich hatte die Stürmung der Bastille vor über 220 Jahren und die Forderung nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit weitreichende Folgen in vielen Lebensbereichen.

Die Regenten Europas – sofern sie nicht der Guillotine zum Opfer gefallen waren – mussten sich von barocker Prachtentfaltung verabschieden und in bescheidenerem „aufgeklärten“ Stil regieren. Gleichzeitig änderten sie ihre Kriegsführung. Von nun an spielte die Kavallerie eine entscheidende Rolle in der Schlacht. Aus dem einstigen Infanteristen wurde ein berittener Soldat. Somit musste die Beherrschung eines Pferdes zu einer möglichst schnell zu erlernenden Fähigkeit werden.

Reiten war keine lebenslange und charakterbildende „l´art pour l´art“ – Kunst um der Kunst willen. Die barocken Reitschulen für den Adel wurden in ganz Europa geschlossen. Die Ausnahme bildete die Spanische Reitschule in Wien, hielten doch die Habsburger an ihren Lipizzanern und deren Fähigkeit zur Hohen Schule fest.

Die neuen Aufgaben der Kavallerie erforderten andere Pferde. Raumgewinn stand im Vordergrund. Sowohl der barocke Spanier, der Neapolitaner und der barocke Däne verschwanden innerhalb weniger Generationen durch Verdrängungskreuzung mit Vollblütern.

In Wien wurde ein Teil der Lipizzaner durch „Arabisierung“ zu einem leistungsfähigen Champagne-Pferd umgemodelt. Es dauerte rund 100 Jahre bis die Verantwortlichen erkannten, dass mit dem Raumgewinn die Versammlungsfähigkeit verloren ging. Es wurde die Reißleine gezogen und fast alle Araber und deren Nachkommen aus der Zucht genommen und zum barocken Standard zurückgelehrt.

Bei den Warmblütern wurde die Selektion auf Raumgewinn in den vergangenen 40 bis 50 Jahren bis ins Absurde verstärkt. Der Mitteltrab, erreicht durch ständig zunehmenden Schub, wurde zum entscheidenden Auswahlkriterium und nicht Piaffe und Passage. Der Körper der Pferde wurde neuen Wunschvorstellungen angepasst. Lange Beine sollen die Trabbewegungen mit bis zur Waagerechten erhobenen Vorderbein besonders hervorheben. Dazu musste die Mobilität der Sehnen und Gelenke gesteigert werden, was allerdings auch zur Schwächung der Rückenmuskulatur führte. Flugs wurden kurze Rücken zum Zuchtziel, schließlich können die nicht so stark nachgeben.

Nun stehen die Pferde in aufgestellten Rechteck, auf den Rücken hat ein Sattel kaum mehr Platz. Mit den langen Beinen laufen sie Gefahr sich in die Ballen zu treten. Davor werden sie rund um die Uhr mit Glocken geschützt. Viele Pferde treten vorsichtshalber außen oder innen am Vorderbein vorbei, was zur regelmäßigen Kippbewegung des Rückens führt. Zu allem Überfluss sollen diese körperlich völlig ungeeigneten Tiere immer noch klassische Dressuraufgaben wie Piaffe und Passage ausführen.

Für versammelte Lektionen ist jedoch das genaue Gegenteil wichtig, nämlich im Verhältnis zum Rücken kürzere Beine mit kräftigen ausgeprägten Gelenken; sowie einem über viel Boden stehenden Köper in Rechteck,  das heißt mit breiter Brust und Rücken und einem tragfähigen Hinterbein durch dessen Gelenke ein Lot gefällt werden könnte. 

Dieser barocke Stich zeigt wie bei einem versammlungsfähigen Pferd die Gelenke der Hinterhand, im Lot übereinander stehend, die wie eine Springfeder arbeiten und den Rücken anheben können.

Im modernen Dressursport werden Pferde, deren Hinterhand auf Schub steht zu Bewegungen veranlasst, die den Sinn der Piaffe ins Absurde verkehren. Statt mit der Hinterhand mehr Last aufzunehmen machen die Pferde einen Handstand und hüpfen mit beiden Hinterbeinen in die Luft.

 Text und Bildbearbeitung: Barbara Schulte

Teile den Beitrag!

Hat Dir der Artikel gefallen?
Dann bedanke Dich bei uns mit einer Tasse Kaffee!

Deine Spende, egal wie hoch, hilft das Du das Magazin weiterhin kostenlos lesen kannst!

„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

Hofreitschule MGA Versicherung
Andrea Lipp Barockreiten
Go to Top