Kreise schließen sich

14. Dezember 2022

Lange Spaziergänge muss ich leider immer alleine machen, sonst ist eine der Stuten auf dem Betriebsgelände alleine. Pepper ist inzwischen wirklich brav, hatte nur noch einen Ausreißer unter den Apfelbaum der Nachbarn, weil ich sie wegen einer Verletzung am rechten Handgelenk einfach nicht halten kann. Wie gesagt: nur gesund ans Pferd mit solchen Aktionen, sonst gewöhnt sie sich die Marotten gleich wieder an! Pepper ist ein Aufmerksamkeitsmagnet, da hatte die erste Kaufinteressentin im September Recht, allerdings anders, als Maya meinte: bist Du nicht mit voller Achtsamkeit dabei, hat Pepper einen im Sinn, wie wir hier oben im Norden es nennen. Dann treibt sie Schabernack. Mit einem Auge auf dem Mobiltelefon führen? Kannst Du vergessen. Am Tor besser das Pferd immer einmal um sich selbst drehen und den Kopf bei sich halten, dann versucht sie gar nicht erst ihre Flucht, sondern steht brav, bis das Tor zu und die Litze davor ist. Braaav.

Inzwischen ist also die erste Interessentin da gewesen und hat sich Pepper angesehen. Der „Hinkucker“ hat sich von der besten Seite präsentiert, ist meinem Bauchgefühl nach für einen Schulbetrieb aber nicht geeignet. Pepper braucht persönliche Zuwendung (ist das nicht bei jedem Pferd so?) und würde Ferienkinder, die sonst in einem Reitstall das ABC gelernt haben, über Pferde in relativer Freiheit aber wenig wissen, „voll vernatzen“. Es würde dann sicher heißen, die Therapie habe Fehler in sich? Der Verkauf platzt. Ich kann Pepper noch hier behalten, bis sich jemand findet, der optimal zu ihr passt.
Weitere körperliche Einschränkungen wie die Narben am Widerrist und die schlechten Hufe mit heftigen Gallen hinten habe ich nicht mehr gefunden. Alle Baustellen, die dazu geführt hatten, dass die Stute sich widersetzt, sind offenbar behoben. Die Hufe sehen richtig gut aus und die leichten Fehlstellungen werden weiterhin vorsichtig korrigiert. Auch einen Australian Stocksaddle mit englischer Gurtung, der – ganz erstaunlich – für ein dünnes Pferd gekauft wurde, passt für Pepper und sie macht keine Anstalten beim Gurten, außer, dass sie kurz die Ohren anlegt. Schmerzempfinden wird immer in der Zelle gespeichert, auch wenn Probleme schon behoben sind, das weiß ich selbst aus Erfahrung, nach zwei Bänderrissen am Knöchel. Pepper darf es mir „sagen“, dass sie damit früher Probleme hatte, aber passt der Sattel, macht sie nichts. Einem ersten Galopp auf dem Platz steht nichts mehr im Weg. Den Galopp auf dem Stoppelfeld, den ich ihr versprochen hatte, verschiebe ich aber noch, bis ich für Ritte ins Gelände auch Gesellschaft habe, die mich im Notfall aufsammeln könnte.

 

Auf ein Wort
In einem Forum, in dem ich davon berichtet hatte, dass Pepper jetzt bei mir in Therapie ist, wurde mir glatt unterstellt, ich würde Pferde billig aufkaufen und teuer weiter verkaufen. Völliger Unsinn, oft trage ich nicht nur das Risiko, sondern auch die Kosten über Monate! Pepper habe ich in Kommission, aber sie braucht fachkundige Käufer. Wo finde ich die?
Wie das Schicksal manchmal so spielt, habe ich gerade Kontakt zu einer Züchterfamilie aus Bremen, die mir im Sommer 2000 das erste Therapiepferd stationär auf meine ehemalige
Betriebsfläche im Raum Harsefeld gebracht hatte, noch vor Abschluss meines Studiums. Die Enkelin des Züchters, der inzwischen leider verstorben ist, ereilte mit ihrem Pony das, was gerade in der ganzen Republik die Menschen in Sorge versetzt: Hufrehe. So schlimm, dass ihr Pony eingeschläfert werden musste. Als Trost biete ich an, Pepper zu besuchen und damit die Stute selbst zu testen, wie weit sie ist, wenn Menschen kommen, die fachkundig sind. Oder wenigstens den Eindruck machen. Es kommt, was kommen musste: Pepper benimmt sich ausgezeichnet und geht mit der Enkelin prompt sogar auf die Wippe? Die 27 Jährige hat sich sofort in „meine Dicke“ verliebt und schon abends kommt der Anruf, sie will sie kaufen!
Bei einem zweiten Besuch kommt die ganze Familie inklusive einer Tierärztin aus dem Raum Bremen, die eine Untersuchung macht, wie ich sie lange nicht erlebt habe: Beugeprobe statt Röntgen? Pepper besteht alles, bis auf den Augenspiegel. Abgesehen davon, dass die Batterien des Geräts leer waren und ich noch ins Geschäft gegenüber bin, zwei Batterien erwerben, findet die junge Veterinärin, das Augenweiß sei zu gelb, ob Pepper Probleme mit der Leber hätte. Nein, das ist mir bisher noch nicht aufgefallen. Das Fell ist glatt und glänzend, Pepper ist nie müde und tobt gerne mit Linus und Lucie oder jetzt auf der Anlage mit den großen Stuten, erobert sich den Platz neben meiner Lava sogar schon langsam. Der Verkauf, der zuerst so verlockend erschienen war, scheitert aber nicht an den Leberwerten, ein Problem ist mit der Gabe eines passenden homöopathischen Mittels innerhalb weniger Tage erledigt, das Augenweiß wieder frei von jeglichem Gelb.
Auch das verstorbene Pony hatte hohe Leberwerte? Das macht natürlich Angst. Aber eine Stute diesen Alters mit einem Bankkredit finanzieren? Halte ich für ein gewagtes Unternehmen, denn ich kann Pepper nicht abgeben, bevor der Händler nicht sein Geld bekommen hat, das ich vorstrecken müsste? Schade für Pepper, das geht nicht. Für mich hätte sich mit dem Verkauf nach Bremen ein Kreis geschlossen: einst bekam ich das erste Pferd aus Bremen zur Therapie, dafür wäre jetzt eines aus meinem Betrieb nach Bremen gezogen. Pepper bleibt also noch ein wenig.

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