Reiten mit Verbindung

30. November 2016

Ausbildung | Sabine Spandl 

Ich verfolge in der Ausbildung des Reiters einen ganzheitlichen Ansatz. Zentrales Thema, könnte man sagen, ist die Verbindung. Damit meine ich keine romantisch-freundschaftliche Verbindung, sondern eine rein praktische: Von Reiterkörper zu Pferdekörper und umgekehrt. Wie einige andere Autoren bin auch ich der Meinung, dass der Reiter in seinem Körper fühlen muss, was er vom Pferd haben möchte. So habe ich beim Longieren erst ab da regelmäßig gute Ergebnisse erzielen können, als ich begonnen habe, mich in die (nötige) Körperspannung des Pferdes einzufühlen. Ich glaube mit der im Folgenden beschriebenen Horsemanship Grundübung einen für jeden nachvollziehbaren und umsetzbaren Einstieg in diese Materie geschaffen zu haben. In der Reitschule beginnen wir mit dieser Übung vom Boden aus, um die Verbindung zu entdecken, aufzubauen und um sie im Anschluss im Sattel wiederzufinden.

Die Grundübung

Die Aufgabe ist simpel – Angehen, Gehen, Stehenbleiben. Dabei hat das Pferd eine bestimmte Position einzuhalten: Mit dem Hals neben der Schulter des Reiters. Das Auge bleibt vor dem Reiter, die Schulter dahinter. Stimmt die Position nicht, hat das Pferd zu korrigieren, nicht der Mensch. Die Zügel werden in etwa in der Mitte gehalten, so dass sie durchhängen können und nur im Bedarfsfall, der nicht eintreten sollte, zum Einsatz kommen. Startposition: Mensch und Pferd stehen nebeneinander auf dem Hufschlag, Blickrichtung nach vorne.

Viele Leser werden diese bekannte Horsemanship Übung erkennen. Ich beschreibe sie hier aber in etwas umgestalteter Form, da sie so ihren spezifischen Zweck besser erfüllen kann. Der Reiter soll die Gelegenheit haben, nicht nur die Verbindung zum Pferd aufzubauen und zu fühlen, sondern auch in Ruhe eine Bewegungsfolge einzuüben, die er später auch im Sattel gut gebrauchen kann. 


Die Zügel werden so lange genommen, dass sie durchhängen; die Hand kann zu Beginn zum Weisen benützt werden, sollte später aber neutral vor dem Körper gehalten werden. Um mit der Gerte auch gut vor das Pferd zu kommen, empfiehlt es sich, für diese Übung zu einer nicht allzu langen Reitgerte zu greifen.

Das Angehen

Der Mensch verlagert das Gewicht in die Bewegungsrichtung, das Pferd geht an, der Mensch geht an. Dabei ist es besser, Brust und Bauch vor zu schieben, als sich nach vorne zu neigen, man kann aber mit zweiterem bedenkenlos starten. Geht das Pferd nicht los, tippt man es freundlich mit der Gerte an, die hinter dem Rücken vorbei geführt wird, ohne die eigene Position aufzugeben! Das gelingt leichter, wenn man das Pferd nicht auf der Seite treffen möchte, sondern von unten auf den Bauch zielt. Geht das Pferd los, geht man auch los. Die Reihenfolge ist wichtig, das Pferd geht immer zuerst los, nicht umgekehrt! Im Idealfall verlagert das Pferd zeitgleich mit dem Menschen das Gewicht und sie gehen zeitgleich los und wenn das passiert, dann ist sie schon da, die Verbindung. Dann folgt das Pferd der Körperspannung des Menschen!

Das Anhalten

Das Anhalten wird langsam vorbereitet. Der Reiter nimmt einen langen Atemzug und richtet sich währenddessen in einer fließenden Bewegung auf. Reagiert das Pferd nicht wie gewünscht, kann man ihm zu Beginn helfen, indem man den Atem geräuschvoll einsaugt. Das ist ein Verhalten, das Pferde von ihren Artgenossen kennen und wissen dann sofort: oha, gleich passiert was! Richtig ist es dann, wenn die Pferde bereits in der Vorbereitung selber auch verzögern und gemeinsam mit uns zum Stehen kommen.

Das Gehen

Überholt das Pferd, kann man anhalten und wenn nötig, es unterstützt von Zügel und Gerte wieder zurück in seine Position gehen lassen. Dabei ist wichtig, dass das Rückwärtsrichten keinen strafenden Charakter hat. Das Pferd würde sich nur darüber ärgern, was aber absolut nicht nötig ist; sobald das Pferd heraußen hat, wo seine Position ist, wird es sich von selber korrigieren, solange man ihm die Lust an der Übung nicht genommen hat. Und für gewöhnlich machen sie sie gern, weil es schön ist, mit uns in Verbindung zu kommen.

Wendungen

Diese Übung mündet, wenn man sie weiter verfolgt in einer Freiheitsdressur. Die letzten Prüfsteine wären dann Schritt-Trab-Schritt Übergänge und das Gehen von Wendungen. Eine Wendung zum Pferd erfordert, dass man sich auf einer Bahn bewegt, die die des Pferdes kreuzt. Man schneidet ihm sozusagen den Weg ab, berührt es aber nicht. Vom Pferd weg zu wenden erfordert, dass man es mit der eigenen Schulter richtiggehend mitnimmt, dabei auch darauf achtet, dass das Auge davor bleibt. Folgt das Pferd nicht in ausreichendem Maß oder will geradeaus weiter gehen, hilft oft eine kleine Aufforderung mit der Gerte (auch wenn das Pferd frei ist).

Im Sattel

Ich habe diese Übung wirklich sehr oft selber und mit meinen Reitschülern gemacht und es ist erstaunlich, wie viel man in und mit ihr entdecken kann! Ich will mal die offensichtlichsten Punkte aufzählen:

  • Das Anhalten oder Durchparieren in eine niedrigere Gangart vom Sattel aus ist eine sehr ähnliche Bewegung wie am Boden. So kann dieser doch komplexe Bewegungsablauf gesplittet und auf seine Wirksamkeit hin in Ruhe ausgearbeitet werden.
  • Sitzt man auf dem Pferd, sieht man sich oft mit der Anforderung konfrontiert, Tempo und Fleiß zu erhalten. Ersteres nimmt zu, zweiteres ab. Hat man am Boden gelernt, das Pferd mit der Körperspannung davon abhalten, zu überholen, weiß man was im Sattel zu tun ist und kann wiederentdecken, was man schon mal gefunden hat.
  • Und der simpelste aller Vorteile ist dass die Fähigkeit, die Körperspannung zu Dosieren, in dieser kleinen Übung erlernt und mobilisiert wird und danach in größtmöglichem Umfang zur Verfügung steht.

 

Die Pferde mögen diese Übung für gewöhnlich sehr gerne. Es ist wie ein lustiges Ratespiel und sie können sehr viel richtig machen! 

Über die Autorin:

Sabine Spandl unterrichtet mobil im Österreichischen Weinviertel und hat gemeinsam mit Claudia Benedela die Reitschule für anspruchsvolles Freizeitreiten und pferdegerechte Ausbildung mit Aufbau- und Korrekturtraining nach Verletzungen gegründet. Besonders wichtig ist es ihr, den Reitern zu helfen, ein tiefes Verständnis für die Abläufe beim und rund ums Reiten zu entwickeln. Beim Bewegungslernen verfolgt sie den ganzheitlichen Ansatz, dass der Körper selber erkennt, wie er etwas auszuführen hat, sobald die Absicht, wozu eine Bewegung dienen soll, klar ist. Hilfestellung in diesen Prozessen kommt von ihrem umfangreichen fachlichen Hintergrund und den Schulen von Feldenkrais, Alexandertechnik und Centered Riding. Eine weitere Säule in ihrer Art zu unterrichten ist es, Feedbacksysteme zu installieren. So erhalten die Reitschüler effektiv die Möglichkeit, alleine ohne Trainer von ihrem Pferd zu lernen. www.klassische-reitkunst.at 

 

Alle Fotos: Jessi Helfer

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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