Sorraia-Hengst

Sorraia-Hengst im Vale de Zebro-Reservat in Portugal. Diese Pferde gehören Hardy Oelke und führen ein wildes Leben, ähnlich wie ihre Vorfahren auf diesem privaten Schutzgebiet, zusammen mit ihren jeweiligen Haremsstuten. Foto: Hardy Oelke

Sorraias – das seltene Erbe Portugals

17. Dezember 2025

Es klingt wie eine legendenumrankte Sage: ein wildes Pferd, das in den iberischen Küstenwäldern geboren sein soll – doch die Wahrheit ist verwobener. Die Sorraia, eine seltene portugiesische Pferderasse, entstammt einer kleinen Gruppe heimischer Pferde, deren Vorfahren lange Zeit als iberische Wildpferde galten. Erst im 20. Jahrhundert stellte die Wissenschaft die Dinge auf den Kopf: Was als Wildpferd vermutet wurde, erwies sich bei genauerem Hinsehen als Hauspferd. Und doch bleibt das Rätsel bestehen, denn vieles an ihrem Wesen erinnert an die frühesten Pferdeformen.

Der Fundort der Sorraia liegt am Rande der Geschichte: 1920 entdeckte der portugiesische Zoologe Ruy d’Andrade die Tiere nahe dem Fluss Sorraia. Bis dahin rankten sich Mythen um eine wilde Urform der iberischen Pferde. Die Entdeckung setzte eine spannungsgeladene Debatte in Gang: Gab es wirklich wilde Linien, die sich über Jahrhunderte in der Natur behauptet hatten, oder handelt es sich lediglich um verwilderte Hauspferde? Die Antwort kam schleichend, denn der Erhaltungszwang wurde erst Jahre später sichtbar. Ab 1937 begann ein kleines, mutiges Zuchtprojekt, das Fremdblut nur sparsam einfließen ließ, um den ursprünglichen Typus zu bewahren. Ein importierter Criollo hinterließ Spuren, doch die Kernlinie blieb erkennbar. So blieb der Legende der Sorraia ein Kern der Realität erhalten.

Heute sind die Sorraia stark bedroht, aber nicht vergessen. In Portugal arbeiten Reservate und nationale Zuchtverbände daran, das ursprüngliche Erscheinungsbild und Verhalten zu schützen. Auslandslinien existieren in Deutschland und anderen Ländern, oft als Teil von Renaturierungs- oder Auswilderungsprojekten. Die Faszination der Rasse liegt in ihrer urtümlichen Ausstrahlung: klein bis mittel, mit einer markanten Falbfarbe, dunkler Maulpartie und einem schmalen Ramskopf. Die Mähne trägt oft einen charakteristischen Mittelstreifen, der an frühere Pferdeformen erinnert.

Mythen und Fakten lassen sich hier nicht strikt trennen. Man erzählt sich Geschichten von wilden Familienverbänden, die in rauen Wintern zusammenhalten, von überlebenswichtigen Tricks in der Wildnis und von einer ursprünglichen Sehnsucht nach Freiheit. Wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen, dass die Sorraia genetisch eng mit wilden Vorfahren verwandt ist, doch ihre heutige Identität bleibt geprägt von Zucht, Schutzprogrammen und dem Bewusstsein, ein Quellcode der iberischen Pferdegeschichte zu bewahren.

Ein teilblütiges Grullo Sorraia-Hengstfohlen zeigt Zebrastreifen, die durch das Lay-Muster des neugeborenen Fohlenfells gebildet werden. Dabei bleiben Rücken- und Beinstreifen sichtbar, während die Lay-Pattern-Streifen nach einigen Tagen bis Wochen verblassen, sobald das Fell vollständig aufplustert. Diese Muster entstehen während der Fellentwicklung durch die Genlokationen, die für Pigment- und Musterverteilung verantwortlich sind. Kurz gesagt: Beim Fohlen sind bestimmte Streifen im Fell sichtbar, die später durch das ausgewachsene Fellbild ersetzt oder reduziert werden. / Foto: Selona

Kompaktes Rasseprofil 

  • Herkunft: Iberien, vorrangig Portugal
  • Hauptziel: Erhalt des ursprünglichen Phänotyps; Zucht- und Auswilderungsprojekte
  • Stockmaß: ca. 125–145 cm (meist rund 140 cm)
  • Farbe: Gelbfalbe und Graufalbe; dunkle Maul-/Gesichtspartie
  • Typ: Hauspferd mit urtümlichem Erscheinungsbild
  • Charakter: eigenständig, herdentiereigene Strukturen, erfahrene Halter erforderlich
  • Lebenserwartung: ca. 20 Jahre
  • Bedrohungslage: stark gefährdet; wichtige Erhaltungsmaßnahmen in Portugal und Europa

Eignung & Einsatz

  • Eignung als Reitpferd: Grundsätzlich möglich, aber nur für erfahrene Reiter; hohes Unabhängigkeits- und Fluchtverhalten erfordert ruhige, konsequente Führung und Geduld.
  • Arbeits- bzw. Einsatzgebiete: ideale Begleiter in Renaturierungs- und Auswilderungsprojekten, Geländearbeit, naturverträgliche Tier- und Landschaftspflege, Weide- und Gelände-Management.
  • Temperament: grundsätzlich wachsam, selbstständig, ausgeprägte Herdentaktik; benötigt fremde Gruppenstrukturen und Freiraum.
  • Training: früh+behutsam, Fokus auf Sicherheit, positive Verstärkung; lange, konsistente Aufbauphasen.
  • Anlage für bestimmte Aufgaben: Bodenarbeit, leichte Zugarbeiten in sensiblen Geländen (kein schwerer Zug). Für extensives Gelände- oder Naturschutzmanagement geeignet.
  • Geeignete Haltung: randlagen- oder Außenhalte mit viel Bewegung, in Gruppenstruktur; Ausgleich durch kontrollierte Interaktion mit Menschen.
  • Fazit: kein typisches Anfänger- oder Sportpferd; geeignet für spezialisierte Projekte, Natur- und Artenschutz sowie verantwortungsbewusste Zucht- und Auswilderungskonzepte.
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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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