Die Geschichte der modernen Pferderassen: Ein Blick durch das Y-Chromosom
27. November 2024
Eine aktuelle Studie, geleitet von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und unterstützt von Partner-Universitäten weltweit, hat sich der Herausforderung gewidmet, die Abstammung moderner Pferderassen aus der Perspektive ihrer Hengste nachzuvollziehen. Das Y-Chromosom, das spezifisch väterlich vererbt wird, dient dabei als wertvoller genetischer Marker zur Untersuchung der Herkunft und Verbreitung einflussreicher Zuchttiere.
Die zentrale Erkenntnis dieser umfassenden Analyse ist, dass viele Pferderassen aus Mittel- und Südeuropa, Zentral- und Westasien sowie Nord- und Südamerika gemeinsame männliche Vorfahren haben. Diese Vorfahren verbreiteten sich erst in den letzten paar Jahrhunderten. Die Ergebnisse wurden im renommierten Wissenschaftsmagazin „PNAS“ veröffentlicht und zeigen auf, wie eng die Geschichte des Pferdes mit geopolitischen Entwicklungen verknüpft ist.
Die Forscher:innen analysierten Daten von 1.517 Hengsten aus 189 modernen Pferderassen über einen Zeitraum von 1.500 Jahren. Dabei identifizierten sie drei bedeutende Zuchteinflüsse sowie zwei historische Wege, die zur Verbreitung orientalischer Pferde führten. Orientalische Hengste hatten demnach einen dominanten Einfluss auf die heutigen Pferderassen. Insbesondere wurde der Ursprung und die weitreichende Verbreitung von Araber-, Englischen Vollblut- und Kaltbluthengsten nachgewiesen.
Lara Radovic, Erstautorin der Studie, erklärt: „Die Mehrheit der Hengste weltweit trägt Y-Linien, die einer rund 1.500 Jahre alten ‚Crown‘-Haplogruppe zugeordnet werden.“ Diese Dominanz ist das Ergebnis des enormen Einflusses orientalischer Hengste im vergangenen Jahrtausend. Die Verbreitung orientalischer Pferde begann mit der muslimischen Expansion und zeigt sich auch in den paternalen Linien von Pferderassen auf der Iberischen Halbinsel sowie in der Neuen Welt.
Zusätzlich identifizierte die Studie eine zweite bedeutende Verbreitungswelle von Pferden aus Westasien, die mit der Expansion des Osmanischen Reiches korreliert ist. Barbara Wallner, Letztautorin der Studie, betont: „Unsere Forschung zeigt, dass die Analyse von Y-Chromosomen die komplexe Geschichte des Pferdes aufdecken kann.“
Die Ergebnisse verdeutlichen nicht nur bisher unerkannte Verbindungen zwischen verschiedenen Pferderassen, sondern auch die Auswirkungen intensiver Zuchtpraktiken, die zur Verdrängung bestimmter Linien führten. Diese Erkenntnisse können nun genutzt werden, um die Abstammung von Hengstlinien in jeder beliebigen Pferderasse zu bestimmen und zukunftsorientierte zuchtstrategische Entscheidungen zu treffen.
Insgesamt eröffnet diese Studie neue Perspektiven für das Verständnis der historischen Entwicklung von Zuchtpopulationen und unterstreicht das untrennbare Band zwischen Pferden und der Menschheitsgeschichte.
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