Der Lipizzaner und der Wolf
9. Oktober 2023
In der Nähe Roms befindet sich ein von der Allgemeinheit wenig beachteter genetischer Schatz. Auf einem Höhenrücken östlich des Tiber, leben Lipizzaner auf weitläufigen Weideflächen. Es handelt sich um Nachkommen jener Lipizza Herde, die nach dem II. Weltkrieg aufgeteilt wurde. Ein Drittel ging zurück nach Österreich und ein Drittel kam nach Italien. Das letzte Drittel wurde in die USA verschifft. Schließlich hatten US-Soldaten in der „Operation Cowboy“ die Herde vor der Roten Armee gerettet.
Seit über 70 Jahren leben diese Lipizzaner auf dem Gelände des Forschungsinstituts des italienischen Landwirtschaftsministeriums (CRA). In diese Herde werden keine Tiere anderer Gestüte eingekreuzt. Auf Grund einer genügend großen Zahl an Individuen und einer sorgfältigen Anpaarung kann der alte Lipizza-Genpool ohne Inzuchtprobleme rein erhalten werden.
Die Stuten sind ganzjährig auf der Weide, so wie einst ihre Vorfahren in der Zeit des Barock. Im Frühjahr gesellt sich ein Hengst zur Gruppe. Die Fohlen kommen im Freien zur Welt. Noch vor rund zehn Jahren berichtet der Gestütsleiter Dr. Buttazzoni unaufgefordert Besuchern, dass die Stuten ihre Fohlen energisch gegen durchziehende Wölfe verteidigen.
In diesem Frühjahr nun konnten vier Mutterstuten zusammen mit einem Hengst den morgendlichen Angriff eines Wolfsrudels nicht verhindern. Ein Fohlen wurde getötet und teilweise gefressen. Die anderen drei starben an Herzversagen, das letzte noch während es von einem Tierarzt behandelt wurde. Diese Attacke ist bisher einmalig. Es wird vermutet, dass die steigende Zahl der Wölfe die Tiere zunehmend Verwegener macht.
Die Gestütsleitung möchte ihr Haltungssystem gerne beibehalten und stellt Überlegungen an, wie die Weiden vor weiteren Angriffen gesichert werden können. Ein solcher angepasster Herdenschutz ist die erfolgversprechendste Vorgehendweise.
Wir müssen mit dem Wolf leben und geeignete Wege finden unsere Weidetiere zu schützen. Die Forderung von „Wolfsfreie Zonen“ ist eine Wunschvorstellung, die sich schlicht nicht umsetzen lässt. Abschüsse einzelner Wölfe leisten keinen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit der Weidetiere, das zeigen Untersuchungen sowohl von der slowenischen Universität Ljubljana als auch der Washington State University. Wird ein einzelner Wolf aus einem Rudel entnommen kann das sogar negative Folgen haben: „Zerbricht ein Rudel durch den Abschuss eines Elterntiers, kann aus einer weitgehend harmlosen Wolfsfamilie ganz plötzlich eine Anzahl problematischer Einzelwölfe werden.“ Stellt der Professor für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft an der Uni Wien, Klaus Hackländer, in seinem Buch „Er ist da“ fest.
Bild Stuten auf der Weide:
Die Lipizzanerstuten des Gestüts Monterotondo leben ganzjährig auf der Weide und bringen dort auch ihre Fohlen zur Welt. Foto: Barbara Schulte
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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“