Die märchenhafte Geschichte der Beberbecker Pferde

18. August 2023

„Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.“ Dieses Grimm’sche Ende passt zur Geschichte der Beberbecker Pferde, die wie ein Märchen anmutet. Nach rund 90 Jahren kehrte die lange Zeit als ausgestorben geltende alte Rasse an ihren Herkunftsort, das Dornröschen Schloss, zurück.

Die Geschichte der Beberbecker Pferde reicht über ein halbes Jahrtausend bis ins Jahr 1490 zurück, als erstmals ein Gestüt an der Zapfenburg in Hessen erwähnt wird. Wie damals üblich, war es ein halbwildes Gestüt in dem die Stuten auf rund 150 Hektar von einer Mauer umgeben lebten. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden 60 Stuten in den unterhalb der Burg gelegenen Klosterhof Beberbeck verlegt. Die Hengste blieben beim inzwischen als Sababurg bezeichneten Schloss.

Das Kurhessische Hofgestüt Beberbeck wurde 1876 von der preußischen Gestütsverwaltung übernommen und weitere Stuten zu den 40 Beberbeckern eingestellt. Mit 68 Stuten stammten die meisten aus dem Friedrich-Wilhelm Gestüt, dem Vorläufer des heutigen Landgestüts Neustadt/Dosse. Es kamen noch 16 Senner, 8 Trakehner und 5 Graditzer Stuten hinzu. Mit ihnen sollte eine Halbblutzucht mit einem Vollblutanteil von rund 85 Prozent aufgebaut werden. Die Pferde mit einem Stockmaß von rund 1,60 m waren als Reitpferde sowohl für das Militär als auch für Rennen bestimmt und erfreuten sich großer Beliebtheit.

1929 wurde das Gestüt Beberbeck jedoch aufgelöst und 160 Hengste, Stuten und Fohlen an den polnischen Staat verkauft. Der gesunkene Bedarf an edlen Warmblutpferden sollte von Trakehnen und den ostpreußischen Züchtern gedeckt werden. In Polen wurde das Beberbecker Zuchtziel mit einem etwas höheren Vollblutanteil beibehalten.

Als zehn Jahre später die deutsche Wehrmacht Polen überfiel sollten die Pferde in ein weiter von der Front gelegenes Gestüt verlegt werden. Bei diesem Marsch wurden Gestütsbeamte und  Pferde von deutschen Tieffliegern angegriffen und sowohl Menschen als auch Pferde getötet. Etliche Pferde konnten sich jedoch durch Flucht retten.

43 Stuten und 6 Hengste der versprengten Tiere wurden schließlich von deutschen Soldaten wieder eingesammelt und 1942 zusammen mit weiteren polnischen Pferden sowie Gestütsarbeitern nach Holstein gebracht. 27 Beberbecker Stuten und zehn Fohlen wurden nach Graditz verlegt, wo nach Kriegsende ein Hauptgestüt geplant war. 1945 wurden die Graditzer Pferde von der Roten Armee nach Russland abtransportiert.

Die insgesamt 1 719 polnischen Pferde in Holstein wurden 1946 an Polen zurückgegeben. Dort verlor sich die Spur der Beberbecker Nachfahren. Sie galten lange Zeit als ausgestorben. Karl-Ludwig Lackner hat die Geschichte sowohl der Senner Pferde als auch der Beberbecker erforscht und diese dokumentiert. Seit 1971 hat er sich für den Wiederaufbau der Senner Zucht eingesetzt und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begann er die Suche nach Nachkommen der Beberbecker, da etliche auf Senner zurückgingen.

Zunächst konnten drei Stuten im russischen Trakehner Gestüt Kirow ausgemacht werden. 2011 beschlossen Vertreter des Landkreises Kassel, Karl-Ludwig Lackner mit der Wiederherstellung der Beberbecker Rasse zu beauftragen und die Pferde in ihrer ursprünglichen Heimat unterhalb der Sababurg im heutigen Tierpark Sababurg anzusiedeln. 2019 wurde dort das erste Beberbecker Fohlen geboren.              Barbara Schulte

Die Stute Oliotta vor der als „Dornröschenschloss“ bekannten Sababurg.  Foto: Barbara Schulte

 

Anfang Mai erblickte das Hengst Fohlen der Stute Elisee und des Vollblüters Nice Danon XX das Licht der Welt. Zuchtziel ist nach wie vor ein vielseitiges Reitpferd.  Foto: Tierpark Sababurg

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