„Sandkolik“ beim Pferd – Versteckte Gefahr in Hitzeperioden

30. April 2016

In den letzte Jahren hat die Haltung der Pferde eine sehr artgerechte Tendez angenommen. Nicht nur Freizeitpferde erhalten ganzjährig Auslauf auf Weiden oder Paddocks, auch Sportpferden wird zunehmend Freilauf ermöglicht. Durch diese Haltungsänderung treten jedoch „Sandkoliken“ immer häufiger auf. Pferde auf kargen, abgefressenen Weiden nehmen mit dem spärlichen Gras auch mehr Erde und Sand auf, was das Risiko von Sandkoliken erhöht. 

 

Wie kommt der Sand in das Pferd?

In der Regel fressen Pferde keinen reinen Sand, so lange der Mineralhaushalt ausgeglichen ist. Die Sandaufnahme erfolgt stetig in kleinen Mengen über eine lange Zeit. Wird im Sandpaddock Heu vom Boden gefüttert, nehmen die Pferde kleine Mengen Sand mit jeder Ration auf. Eine höhere Sandaufnahme findet auf den Winterweiden oder Diätkoppeln mit kurzem Gras statt. Die Pferde zupfen die kurzen Halme ab, fressen zum Teil Graswurzeln mit, woran wiederum Sand haftet. Es dauert also Monate oder Jahre, bis größere Sandmengen im Darm des Pferdes anfallen.

Im Dickdarm des Pferdes verweilt der Futterbrei längere Zeit, um bakteriell zersetzt zu werden. Hier sedimentiert der Sand und bleibt auf der Darmschleimhaut liegen, der Futterbrei ist leichter und wird weitertransportiert. Individuelle Unterschiede in der Dickdarmmotorik führen dazu, dass einige Pferde den Sand ausscheiden können, während andere Pferde zu Sandansammlungen neigen.

Was macht der Sand im Dickdarm?

Der Sand befindet sich über lange Zeit im Pferdedarm. Bei veränderter Darmmotorik reibt er wie Schmirgelpapier auf der Schleimhaut und kann so Darmentzündungen (Enteritis) mit Durchfällen hervorrufen. Auch Aufgasungen einiger Dickdarmanteile können eine Folge von Sandansammlungen sein. In extremen Fällen kann der Sand zu Einengungen oder kompletten Verschluss des Darmlumens führen. Dieser Zustand erfordert häufig eine chirurgische Behandlung.

 

Woran erkennt man „Sandkoliker“?

Es gibt keine klassischen Symptome für „Sandkoliken“. Es können Durchfälle, Inappetenz sowie milde bis sehr schwere Koliksymptome vorkommen. Manchmal enthält der Kot Sand, was aber auch keine sichere Diagnose zulässt (Ist noch mehr Sand im Pferd? Scheidet dieses Pferd den Sand immer aus und hat es jetzt ein anderes Kolikproblem?) Bei der rektalen Untersuchung ist der Sand im Dickdarm meistens nicht zu fühlen. Eine Ultraschalluntersuchung des Bauches von außen durch die Haut ist mittlerweile dank moderner Ultraschallgeräte möglich. Mit Hilfe dieser Technik kann man Hinweise auf Sand im Dickdarm erhalten.

Wie bekommt man den Sand wieder heraus?

Sind die Koliksymptome nur milde, kann mit motorikfördenden Medikamenten die Dickdarmtätigkeit angeregt werden. Weiterhin kann Paraffinöl genutzt werden, um den Darminhalt gleitfähig zu machen. Bei dem Einsatz von indischen Flohsamenschalen (Plantago ovata-Samenschalen) gibt es unterschiedliche Erfahrungen. Eine Therapie kann mit großen mengen Flohsamenschalen in Wasser gelöst und über die Nasenschlundsonde eingegeben versucht werden. Bei sehr starken Koliksymptomen mit Verlegung des Darmlumens ist eine Kolik-OP oft nicht abzuwenden. Der Dickdarm wird in der Operation eröffnet und ausgespült, nicht selten kommen 10 kg Sand und mehr zum Vorschein.

 

Was kann man prophylaktisch tun?

Der Nutzen von Flohsamenschalen als prophylaktische Maßnahme bei Sandansammlungen im Dickdarm ist sehr umstritten. Zentrale Prophylaxemaßnahmenstellt eine Änderung des Fütterungsregimes dar. Die häufig praktizierte „morgens raus – abends rein“-Auslaufhaltung ohne Zufütterung von Rauhfutter ist in mancher Beziehung problematisch. Die Pferde stehen zum Teil 6-8 Stunden im Auslauf. Sie beginnen, sich Futter zu suchen und es kommt zur Aufnahme von Sand. Den Pferden sollte also Rauhfutter auf möglichst sauberem und trockenen Untergrund zur freien verfügung stehen. Auch Äste z.B. von ungespritzten Obstbäumen können zusätzlich und in Maßen angeboten werden. Auf diese Weise bietet Auslaufhaltung und Offenstallhaltung den Pferden eine artgerechte Haltungsform.

 

 © by  Dr. Claudia Stroth, Pferdeklinik Dr. Belz, Tappendorf www.pferdeklinik-tappendorf.de

 

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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