Fohlen absetzen

26. April 2016

Gesundheit | Stephanie Siekmann | Magazin Hofreitschule 3-2014

Das Absetzen ist ein entscheidender Schritt im Leben eines Pferdes. Für Stute und Fohlen ist diese Trennung mit Stress verbunden. Doch welche Methode ist nun die beste? Die schnelle, vollständige Trennung von Mutter und Kind? Oder das allmähliche Separieren? Und wie wird ein Fohlen anschließend optimal gefüttert und untergebracht?

 

Viele Züchter setzen darauf, Fohlen im Alter von rund sechs Monaten schlagartig komplett von der Mutterstute zu trennen. Häufig wird das Fohlen ohne nennenswerte Vorbereitung aufgeladen und zur Aufzucht auf eine entfernt liegende Weide oder in einen anderen Stall gebracht. Dort findet es bei gleichaltrigen Fohlen nicht nur Spielkameraden sondern auch eine Herde, die Sozialkontakte ermöglicht und das Gefühl von Sicherheit bietet. Zu der Trennung von der Mutter kommt neben dem Verlust des mütterlichen Schutzes bei diesem Vorgehen jedoch die abrupte Futterumstellung und die Umgewöhnung in eine fremde Umgebung – eine mehrfache Belastung für das junge Tier.

Sanft oder Abrupt?

Andere Züchter leiten das Absetzen allmählich ein, indem sie in einer ein- bis zweiwöchigen Übergangsphase Mutterstuten und Fohlen tagsüber gemeinsam auf der Weide laufen lassen und nachts die Stuten allein in ihre Boxen lassen, während die Fohlen gemeinsam mit ihren Spielkameraden in Laufboxen untergebracht werden. So können die Stuten, die nach sechs bis acht Monaten beginnen den Nachwuchs erst vorsichtig dann deutlicher wegzuschicken, nachts ihre Ruhe genießen. Die Fohlen bleiben in der gewohnten Umgebung, mit den ihnen vertrauten Gleichaltrigen, müssen jedoch vorübergehend mit der Abwesenheit der Stuten zurechtkommen. Werden Stuten und Fohlen schließlich vollständig voneinander getrennt auf separate Weiden gestellt, ist diese Veränderung leichter zu verkraften. Das zumindest meinen viele Pferdehalter. Doch stimmt das?

Ein Team der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat diese entscheidende Phase im Leben junger Pferde genauer untersucht und kam zu überraschenden Ergebnissen. In der Versuchsreihe wurde ein Teil der Fohlen abrupt und gleichzeitig aus dem Fohlenstall entfernt. Eine zweite Gruppe wurde genauso von ihren Müttern getrennt, hier verblieben jedoch zwei Stuten im Fohlenstall, die mit den Fohlen zwar nicht verwandt, aber dennoch von deren Geburt an in der Herde waren. In der dritten Gruppe wurden jeweils zwei Muttertiere pro Tag entfernt, bis die Fohlen ebenfalls alleine im Stall waren. Die Auswertung ergab, dass die jungen Tiere extremem Stress ausgesetzt sind, egal, auf welche Weise die Trennung passiert. Verbringen die Fohlen die Zeit direkt nach dem Absetzen jedoch in der Gesellschaft vertrauter Stuten, die schon zuvor zur Herde gehörten, werden sie mit der Situation am besten fertig. Stressparameter wie Kortisolspiegel und Herzschlagrate sind dann zwar ebenfalls vorhanden, doch die Jungtiere kommen schneller und besser mit der neuen Situation zurecht.

Vertraute Pferde geben Sicherheit

Dass eine Trennung von der Mutter ein regelrechter Schock für ein Fohlen sein kann, vor allem, wenn es sehr früh von der Stute getrennt wird, ist heute bekannt. Abruptes Separieren von der Mutterstute, wie es bei vielen Züchtern vorgenommen wird, steht in starkem Kontrast dazu wie junge Pferde sich in der freien Wildbahn von den Müttern lösen. In freier Wildbahn dauert die Entwöhnungsphase ungefähr ein Jahr lang und vollzieht sich Schritt für Schritt. Einige Wissenschaftler meinen eine Trennung von der Mutterstute, die besonders früh und zudem plötzlich stattfindet, könne zu Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Schäden beim Jungtier führen. Koppen, Weben oder im Kreis laufen, ebenso auffälliges kauen, knabbern oder lecken sind Untugenden, die inzwischen immer häufiger einem zu frühen oder besonders traumatischen Absetzen des Fohlens zugeschrieben werden. Andere Auswirkungen einer zu frühen Trennung können Wachstums-, Hormon- und Stoffwechselstörungen sein.

Die Welt entdecken

Wie die oben angeführte Studie ermittelt hat, spielt die optimale Gesellschaft in der Zeit nach der Trennung eine wichtige Rolle. Ein verlässlicher Herdenverband mit Tieren, die die Fohlen bereits in der gemeinsam mit der Mutter verbrachten Zeit gekannt haben, ist hier ein maßgeblicher Faktor. Große Bedeutung kommt dabei älteren, erfahrenen Pferden zu, die Erziehungsaufgaben übernehmen und den Jungtieren Souveränität und Gelassenheit vermitteln. Fohlen lernen von älteren Pferden sehr viel im Hinblick auf das Sozialverhalten.

Einzeln gehaltene Absatzfohlen, die direkt nach der Trennung von der Mutter in eine fremde Herde Gleichaltriger integriert werden, stehen vor dem Problem sich durchsetzen zu müssen, während sie sich durch den Verlust der schutzgebenden Mutterstute hilflos und unsicher fühlen. Einzeln aufwachsende Fohlen profitieren daher ganz besonders davon, wenn sie länger bei der Mutter verbleiben. Je älter sie bei der Trennung sind, desto selbstsicherer sind sie auch.

Gefahr der Überversorgung

Was die Fütterung von Fohlen angeht, ist es naheliegend, dass einem Absatzfohlen durch den Milchentzug das hochwertige Nährstoffangebot fehlt, vor allem hinsichtlich Aminosäuren (Lysin, Methionin). Ein weiterer wichtiger Punkt ist die im Herbst nachlassende Quantität und Qualität des Grasaufwuchses. Zufütterung ist daher für viele Züchter selbstverständlich. Trotz dieser wichtigen Punkte treten Energiemangelzustände unter unseren Fütterungsverhältnissen bei Fohlen selten auf. Energieüberschüsse gibt es dagegen häufiger. Eine Folge davon kann verstärktes Wachstum sein, aber auch verzögerte Knochenreifung. Folgen einer Überversorgung können zudem Auswirkungen auf das Hormonsystem haben. Bei der Zufuhr an Mineralien und Vitaminen, vor allem im Bereich der Calcium-, Phosphor- und Vitamin-D-Versorgung, muss auf ein optimales Verhältnis geachtet werden.

Infos zu Nährstoffangaben www.landwirtschaftskammer.de

Text: Ausgabe Magazin Hofreitschule 3-2014 / Stephanie Siekmann

 

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