Longenarbeit: mehr als nur Kreis-Lauftraining

26. März 2020

Das Longieren ist eine Arbeit mit dem Pferd, die großen Nutzen, aber auch großen Schaden anrichten kann.

Historisch gesehen ist Longenarbeit einer der drei Pfeiler der Ausbildung des Pferdes- und natürlich des Menschen!- neben der Arbeit am Boden/ an der Hand/ im Doppelpilaren und der Arbeit unter dem Sattel.

Das Wichtigste ist bei der Longenarbeit, dass jedes Element dieser sehr anspruchsvollen Technik das Pferd schult, ein Reitpferd zu sein oder zu werden. Deshalb muß schon an der Longe das Pferd in eine Bewegung, eine Balance und eine Form gearbeitet werden, die ein Reitpferd haben muss, um sich und auch einen Reiter gesund tragen zu können.

Besonders die Formgebung der Oberlinie, aber auch die immer und auf jeden Fall aus der Biegung entstehende Stellung sind hier genaustens zu beachten, sowie das Prinzip, das Pferd grundsätzlich von hinten nach vorne zu arbeiten und von den treibenden Hilfen zu formen.

Foto: Allerlei Hilfsmittel wurden und werden genutzt, um dem Pferd Balance auf der Kreisbahn nahezubringn. Eine Garantie dafür, dass das Pferd diese in seinem Körper findet, ist aber selbst die bestegefüllteste Sattelkammer nicht.

 

Fehler in der Longenarbeit sind:

– ein Hals, der in der Halsbasis abgeknickt ist:

hier wird die Wirbelsäule des Pferdes nicht mittig zwischen den Schultern getragen, das Pferd richtet sich nicht gerade auf der Kreisbahn, es ist bewegungstechnisch in verschiedene Teile zerlegt. Neben dem Knick zwischen Hals und Rumpf ist hier gut zu beobachten, dass die Zehen des Hufe nicht in Richtung der gearbeiteten Linie fußen, zB außerhalb der Kreisbahn zeigen. Dieses Pferd wird durch anhaltende Arbeit nicht tragfähig, sondern in eine mögliche Trageerschöpfung hineingearbeitet. Das kann passieren, wenn der Mensch mit der Hand einwirkt, weil er denkt, dass seitliche Stellung im Genick zu Biegung führt. Hier wird Ursache und Wirkung verwechselt, es muss immer genau anders herum sein, denn Stellung ist lediglich eins der Anzeichen für Biegung beim losgelassenen Pferd.

 


Ist das Pferd an der Halsbasis abgeknickt, ist Tragen ökonomisch nicht möglich. Pluvinel erklärt: „Ein weiser und erfahrender Ausbilder wird alle diese Dinge bedenken und den Kampf mit dem Auge führen.“ A. de Pluvinel (1555-1620)

 

Der “ Spanische Reiter“ ist eine Konstruktion, die das Pferd in der Oberlinie in eine bestimmte Form bringen soll. Wie jedes Hilfsmittel ist er jedoch nur dann hilfreich, wenn das Ergebnis stimmt. Verspannt das Pferd in der Oberlinie, lernt es statt reeller Anlehnung nur eine starre Form, dann ist das Ziel dieser Arbeit verfehlt.


 

– der Rumpf des Pferdes ist von vorne oder schräg vorne gesehen deutlich nach innen gekippt.

Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Rotation der Wirbelsäule in diesem Moment falsch ist, der gesamte Brustkorb in eine Richtung kippt und so der für die Gesundheit des Pferdes so wichtige Schwung nicht möglich ist. Würde man dem Pferd jetzt einen Sattel auflegen, würde dieser ohne Gurt einfach heruntertuschen. Optmalerweise sollte aber die Balance den Sattel auf dem Pferderücken halten, nicht der eng geschnallte Sattelgurt. Solche eine Ausführung hat also nichts mit Schulung zum Reitpferd zu tun. Hierbei werden die Gliedmaßen des Pferdes in den kleinen Gelenken über Gebühr beansprucht, weil sie durch das falsch verlagerte Gewicht des Rumpfes nicht richtig federn können und womöglich beginnen, eine Drehbewegung auszuführen.


„…als hab ich sehr gut befunden, dem Pferd die ersten Lektionen widerzugeben, dieweil es sie am schwersten befindt, mit Betrachtung wie ich ihm das Gehirn mögte zimblicher maßen und auch mehr als die Lenden und Schenkel bearbeiten, und soll man wohl zusehen, wo es sonsten möglich ist das nit zuerzornen, damit man ihm sein Wackerheit nit benembe, dann ie bei den Pferden, gleich wie die Blum auf den Fruchten ist , nachdem sie hinweggenommen, nimmermehr wieder darauff gefunden wirdt: ebender Gestalt ist es mit den Pferden welche von einem leichten Schrot und voller hitzigkeit sein beschaffen.“ A. de Pluvinel ( 1555-1620)

Um sich auf die Kreisbahn zu lehnen, muss das Pferd das innere Hinterbein beugen lernen. Das ist dem Lauftier Pferd zuerst einmal fremd, wie Pluvinel erklärt.


– das Pferd sich auf der Kreisbahn mit dem Hals und Kopf nach außen lehnt, es “ halsstarrig“ ist.

Dies ist ein Zeichen dafür, dass das Pferd sich gegen die Scher-und Fliehkräfte legt, indem es das innere Hinterbein wie einen Hebel versteift, um nicht zu fallen. Ein Ausbinden mit Hilfszügeln würde hier nur die Sichtbarkeit des Problems kaschieren, die Bewegung des Pferdes wäre die selbe, bis das Pferd gelernt hat, sich durch Biegung des inneren Hinterbeins, Impulsweitergabe dieser Kraft über das Becken in den Rücken hinein, hier entstehende Rotation der Wirbelsäule und daraus resultierende Anpassung des Körpers auf der gebogenen Linie selber auf der Kreisbahn zu tragen. Hier können anderen Techniken, wie Bodenarbeit oder erweiterte Longiertechniken helfen, ein Verständnis beim Pferd hierfür zu erzeugen.


Die Arbeit mit der Doppelonge kann dem Pferd helfen, wenn sie klassisch im Sinne der Alten Meister eingesetzt wird. Bild: F. Fedderke

 

Auch das avancierte Longieren oder Cross-Over kann Verstandnisprozesse beim Pferd auslösen.Es gilt zuerst den Geist des Pferdes zu bilden, damit es Bewußtsein für die Bewegung erhält, so dass dann eine Ausbildung, oder wie hier mit Amador zu sehen, eine rekonvaleszente Arbeit geschehen kann.


– das Pferd trägt den Kopf zu tief, in sogenannter “ Peanut-Roller“- Positur.

Dies ist ein Zeichen für einen Rücken, der in der Oberlinie nicht tragfähig ist und das schon gar nicht für zusätzliches Reitergewicht. Achtung: dies meint nicht ein kurzes Dehnen der Oberlinie zur nachgebenden Hand des Longenführers, sondern ein über mehrere Schritte, womöglich sogar Runden hinweg laufendes Pferd in dieser Form. Dieses Zeichen für ein kraftloses Pferd kann, wenn es nicht durch Ermüdung während der zu lang gestalteten Arbeitseinheit auftritt, immer ein Hinweis für gesundheitliche Probleme des Bewegungsapparats sein. Hier gilt es, mögliche Schmerzen in Bereichen von ISG , Lende und Brustwirbelsäule, sowie Genick und Kaumuskulatur , aber auch Hufen ausschließen zu können und dem Pferd im Anschluss ein Verständnis für Tragfähigkeit durch entsprechende rückenkräftigenden Übungen beizubringen.


 

   
     

Viel zu tief: das junge Pferd ermüdet schnell, nicht mehr als 2-3 Minuten kann es auf einer Hand laufen, ohne dass Muskeln übersäuern. Hier die vierjährige Amy, erst wenige Male in der Arbeit. Bild: M. Glahe

 

 

 

 

 

Versammlende Arbeit an der Longe: meine Schülerin Sarah mit ihrem Nikan. Ist das PFerd entsprechend geschult, ist die Longenarbeit eine wertvolle Technik

 

 

 

Schließlich kann an der Longe auch mit Lektionen wie Schulschritt und Piaffe gearbeitet werden. Warum auch nicht? Es handelt sich immer um das selbe Pferd und immer um die selbe Hilfengebung. Finn bei der Arbeit im Cross-Over, Bild: M. Glahe

 

 


 

 

“ Jene Halsarbeit an der Leine […] ist kein so leichtes Geschäft, wie manche sich einbilden, die es kopflos unternehmen, aber statt schonend dem Reiter vorzuarbeiten, das Thier an Körper und Geist verderben. Wir haben gesehen , dass schon der Peitschenfürer eine schwierige Aufgabe hat , aber die des Leinenführers ist nicht minder schwierig. Er muss nicht nur die Kraft seines Instruments abzumessen und sie dem Falle , wie der Empfindlichkeit des Pferdes anzupassen; nicht nur die Gradation der Aufrichtung, Beizäumung und in wachsender Potenz Seitwärtsbiegung nach dem Gebäude und den Fortschritten anzuwenden verstehen; er muss auch die Dauer der Lection und Ruhemomente richtig abmessen damit die Muskeln sich üben, ohne zu ermüden. Das ist schwierig. Der Reiter wird an jedem todten Gewicht das in seine Hand fällt, jene Ermüdung gewahr, der spanische Reiter ist stumm und gefühlos. – Es sind namendtlich die auswendigen Hinterfesseln, die ungeschicktes Corrigieren der schleudernden Hinterhand wegen, ruiniert , besonders wenn die Leine statt in den Kappzaum  oder Laufhalfter ( Halfter mit einem Ring in der Mitte des Nasenriemens ) in den inwendigen Trensenring verschnallt wird, wie mir selbst bei Züchtern schon vorgekommen ist .“ F. von Krane, Münster 1856

 

Stefanie Niggemeier


Über die Autorin

STEFANIE NIGGEMEIER studierte Geschichte & Pädagogik, und arbeitet heute als Hippologin und Ausbilderin für Mensch und Pferd.

Die Lehren der alten Meister der Reitkunst, die sie intensiv studiert und deren praktischer Nutzen für unsere modernen Pferde nach heutigen sportwisschenschaftlichen, osteopathischen, lernpsychologischen und ethischen Erkenntnissen sind der grundsätzliche Inhalt ihrer Arbeit mit Mensch und Pferd. Sie bildet mit dem Schwerpunkt aller Techniken am Boden bis zur Hohen Schule aus und referiert und schult praktisch regelmäßig in Themenkursen, bei Hippologischen Veranstaltungen, in Gastdozenturen und natürlich Training und Unterricht zu verschiedenen Themen rund um das Pferd und die Reitkunst der letzten 500 Jahre.

Sie lebt und arbeitet mit ihren drei Morgan Horses Finn, Nyx und Amy im ostwestfälischen Paderborn und ist zu finden unter www.barocke-pferdeausbildung.de

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