Reiter vor Reiterin zu Pferd aus dem alten Werk „Équitation des Dames“by Aubert, 1842, Paris

Équitation des Dames (Aubert, Paris 1842): Eleganz, Sicherheit und die Kunst des Seitensattels

16. Oktober 2025

Als 1842 in Paris Auberts „Équitation des Dames“ erschien, traf es den Nerv einer Epoche, in der Reiten für Damen zwischen gesellschaftlicher Repräsentation, modischer Eleganz und wachsendem Selbstverständnis stand. Das Buch ist mehr als ein Lehrgang für den Seitensattel: Es ist ein Plädoyer für Leichtigkeit, Maß und das aufmerksame Gespräch mit dem Pferd. „Il faut prier le cheval et non le contraindre“ – man müsse das Pferd bitten und nicht zwingen –, dieses pluvinelsche Ideal schimmert durch viele Passagen des Werks und wird von Aubert in die Praxis der Amazone übersetzt.

Der Seitensattel ist dabei kein Handicap, sondern ein System. Aubert beschreibt die „sûreté du siège“ – die Sicherheit des Sitzes – als Ergebnis von Balance, nicht von Klammern. Der Oberkörper bleibt ruhig, das rechte Bein ruht über der oberen Gabel, das linke führt am Leib des Pferdes; die Hand hält „un contact léger, constant et vivant“, einen leichten, beständigen, lebendigen Kontakt, der führt, ohne zu fixieren. Weil nur ein Bein voll einwirken kann, gewinnen Gewicht und Gerte an Bedeutung. Doch Aubert warnt vor Widersprüchen: „La main ne doit jamais suppléer la jambe, ni la jambe combattre la main.“ Hand und Schenkel – im Seitensattel wie in der Herrenkunst – müssen in derselben Sprache sprechen.

Die Ausbildung des Pferdes für die Dame beginnt für Aubert mit Charakter und Takt. Gewünscht ist ein gelassener, taktsicherer Partner mit angenehmen Gängen, eher kompakt als lang. Zunächst wird gelöst – Vorwärts-abwärts, weiche Übergänge, große Linien – bevor Geraderichten und das Spiel aus Stellung und Biegung verfeinert werden. Das Schulterherein wird zum Schlüssel, weil es die einseitige Beinlage der Reiterin ausgleicht und echte Balance herstellt. „L’épaule en dedans est la clef de l’équitation“: Im Seitensattel doppelt wahr, denn über Schulterkontrolle entsteht Geraderichtung, und aus Geraderichtung entspringt Sicherheit.

Die Methodik ist von Geduld getragen. Aubert arbeitet vom Schritt aus, verlangt reine Übergänge und ruhige Galoppansprünge aus korrekt vorbereiteten Ecken. Er legt Wert auf kurze, konzentrierte Einheiten: „La patience fait plus que la force.“ Springen erlaubt er erst auf solider Grundlage, mit niedrigen Hindernissen und unaufgeregtem Anreiten – Eleganz ist für ihn vor allem beherrschte Einfachheit.

Auch Etikette und Ausstattung sind Teil dieser Reitlehre. Das Reitkleid wird so geführt, dass nichts sich verfangen kann; Handschuhe, Hut und Schleier dienen Sicherheit und Anstand. Aubert rät zu Besonnenheit im Straßenverkehr und empfiehlt für Ausritte in der Stadt eine erfahrene Begleitung. Doch hinter der Höflichkeit steht Selbstständigkeit: Die Reiterin soll ihr Pferd verstehen, nicht dekorieren. „La véritable grâce vient de la justesse“ – wahre Anmut entspringt der Richtigkeit.

Bemerkenswert modern sind seine gesundheitlichen Hinweise. Zu enge Korsetts beeinträchtigen Atmung und Balance, schweres Tuch ermüdet und stört den Sitz. Der schöne Sitz ist für Aubert ein funktionaler: „La beauté du siège n’est que la conséquence de l’équilibre.“ Damit bindet er Ästhetik an Biomechanik – ein Gedanke, der weit über die Mode seiner Zeit hinausweist.

Auberts „Équitation des Dames“ dokumentiert den Übergang von der höfischen Schaureiterei zu einer bürgerlichen Reitkultur, in der Technik, Sicherheit und Stil zusammenfinden. Es ist zugleich ein stilles Manifest für die Mündigkeit der Reiterin: Fragen statt zwingen, fühlen statt festhalten, führen statt fixieren. „La plus grande victoire à cheval est la légèreté“ – die größte Siegeskunst im Sattel ist die Leichtigkeit. In diesem Satz verdichtet sich der Anspruch des gesamten Buches: Eleganz nicht als Pose, sondern als Ergebnis richtiger Ausbildung, ruhiger Hand und eines partnerschaftlichen Dialogs mit dem Pferd.

Pferdetraining, Reiterinnen und Reiter im alten Werk „Équitation des Dames“ von Aubert, 1842, Paris / Fotos iStock

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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