Monsieur de Kraut 1733 / Radierung und Kupferstich

Die Piaffe

8. Oktober 2025

Um einem Pferd das Piaffieren beizubringen, bedarf es neben der Erfahrung des Reiters sehr viel Gefühl im Umgang mit dem Pferd und im Erkennen der dressurmäßigen Zusammenhänge. Es hat sich dabei als sinnvoll bewährt, dem Pferd zunächst das Piaffieren an der Hand ohne Reitergewicht beizubringen. An der Spanischen Hofreitschule in Wien werden die Pferde zunächst über die Handarbeit mit dem Piaffieren vertraut gemacht. Ich hatte das Vergnügen, dem früheren 1. Oberbereiter der Wiener Hofreitschule, Arthur Kottas, bei dieser Arbeit zuschauen zu dürfen. Das Pferd war ausgebunden, mit einem Kappzaum ausgestattet und gesattelt und wurde von einem Helfer geführt. Über dem Sattel befand sich ein mit verschiedenen Ringen ausgestatteter Longiergurt. Rechts und links im Kappzaum eingeschnallt befanden sich die beiden Longen, welche weiter durch die Ringe am Longiergurt verliefen. Ein weiterer Helfer hielt die Longen in den Händen und ließ das Pferd in kleinen versammelten Schritten nach vorne vorwärts. Das Pferd ging dabei in der Reithalle eine ganze Bahn rund um den Hufschlag. Auf Höhe der Hinterhand bewegte sich Arthur Kottas mit einer Touchierpeitsche und unterstützte damit das Pferd beim Antreten zur Piaffe. Die Piafftritte wurden immer nur in kurzen Reprisen von drei bis fünf Tritten gefordert. Anschließend wurde das Pferd gelobt und im Schritt vorgelassen, bevor es zum erneuten Antreten unterstützt wurde. Nachdem das Pferd diese Übung willig und ruhig absolvierte hatte, kam im nächsten Schritt der Reiter dazu. Dieselbe Übung wurde nun samt Reiter – natürlich ohne Longiergurt – wiederholt.

Hierbei musste der Reiter ganz ruhig und anschmiegsam auf dem Pferd sitzen, ohne aktiv einzuwirken. Je nach Arbeitseinstellung und Temperament des Pferdes wurden diese Schritte so oft wie nötig wiederholt. Sobald das Pferd die erforderliche Geschicklichkeit besaß, übernahm der Reiter die Aufgabe, das Pferd auf dem Hufschlag im Schritt zu reiten und Arthur Kottas gab die erforderlichen Touchierhilfen. Nach und nach kontrollierte der Reiter immer mehr das Geschehen, und der Helfer entfernte sich weiter vom Pferd. Als ebenfalls hilfreiche Übung hat es sich bewährt, das Pferd wie zuvor beschrieben auszubinden und von einem Helfer führen und antreten zu lassen. Unmittelbar danach das Pferd loben und wieder in die Box bringen. Diese Übung ist drei- bis viermal pro Tag zu wiederholen, immer an derselben Stelle der Reitbahn. Natürlich alles mit Ruhe, Übersicht, Lob und dem entsprechenden Sachverstand.

In der klassischen Piaffe beugt sich das Pferd vermehrt in der Hanke. Es ist gut versammelt und aufgerichtet; die Hinterhand nimmt deutlich erkennbar Last auf. Die Hinterbeine sollen fleißig-federnd abfußen und tragen die Hauptlast. Sie sollen sich auf und nieder bewegen. Die gesenkte Kruppe hebt und senkt sich dabei ruhig und unmerklich. Die Hinterfüße fußen bis in etwa Höhe der Fesselgelenke. Die Unterarme werden bis ca. zur Waagerechten angewinkelt und fußen senkrecht auf und nieder. Dabei zeigen Röhrbein und Hufspitze senkrecht nach unten. Die Beinpaare bewegen sich ähnlich wie im Trab diagonal. Der Bewegungsablauf ist vorwärts-aufwärts angelegt, wobei sich das Vorwärts auf ein bis zwei Hufe breit beschränkt. Diese Ausführung entspricht dem Ideal und ist in dieser Exaktheit nur wenigen Pferden vorbehalten. Nach der zu Anfang erklärten vorbereitenden Arbeit sollte im Verlauf der weiteren Ausbildung das Piaffieren zunächst auf dem Hufschlag immer möglichst an gleicher Stelle ausgeführt werden. Dabei gilt der Grundsatz „nicht um die Piaffe betteln, sondern sie fordern“. Dabei ist es sehr wichtig, die Piaffe zunächst deutlich nach vorne mit gutem Fleiß anzulegen. Sobald das Pferd beim Piaffieren immer stabiler und sicherer wird, kann allmählich dazu übergegangen werden, sie überall auf dem Hufschlag zu fordern. Sobald dies gelingt, ist der Zeitraum gekommen, das Piaffieren an der für das Pferd sicheren Stelle auf dem zweiten Hufschlag zu üben. Dabei darf keinesfalls mit Lob gespart werden. Schon bald ist zu spüren, dass als nächste Steigerung das Piaffieren im freien Raum der Reitbahn gefordert werden kann, und zwar an jeder Stelle. Im Verlauf dieser Arbeit verzichtet der Reiter immer mehr auf den Einsatz der Gerte und versucht durch Anspannen des Kreuzes, unterstützt von den Schenkeln, zu piaffieren.

Es ist vorteilhaft, wenn es dem Reiter gelingt, einen sogenannten Frequenzwechsel zu erreichen. Er sollte versuchen, die Piaffe deutlicher nach vorne zu reiten und dabei den Fleiß erhöhen – dann wieder zurückführen, fast auf der Stelle bewegen und erneut mit gutem Fleiß nach vorne piaffieren. Mit dieser Übung lässt sich eine gewisse Eigendynamik und eine verbesserte Federkraft aufbauen. Gleichzeitig ist diese Übung eine gute Vorbereitung für die Übergänge nach dem Erlernen der Passage. Auch hierbei sollte der Reiter nicht mit Lob sparen, sobald das Pferd eine höhere Frequenz erreicht. Dazu die Zügel in eine Hand nehmen und ausgiebig klopfen.

Text: Dieter Scheermann

Dieter Scheermann

Dieter Scheermann ist seit Jahrzehnten eine prägende Stimme im deutschen Reitsport. Als 1. Vorsitzender des Reitvereins Gelsenkirchen hat er maßgeblich zur wirtschaftlichen Stabilität und sportlichen Entwicklung beigetragen. Dieter Scheermann ist im Reitsport als Dressurausbilder und ehemaliger Richter bis zum Grand Prix bekannt. Er verbindet umfassende Erfahrung als Wertungsrichter mit klarer Vision für eine inklusive Reitkultur – von Amateuren bis hin zu Spitzenreitern. Seit über 20 Jahren engagiert er sich zudem im Kreisreiterverband Recklinghausen und gilt als einer der dienstältesten Vorsitzenden in der Region. Sein Credo: Pferde sind Partner, deren Wohlbefinden und Zusammenarbeit den Schlüssel zum Erfolg bilden.

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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