
Antike Darstellung, welche die jahrhundertealte Verbindung zwischen Mensch und Tier in der Antike widerspiegelt. / Foto iStock
Was ist Reitkunst? Ein tiefer Einblick in eine jahrhundertealte Tradition
27. Mai 2025
Reitkunst – ein Begriff, der oft mit Anmut, Präzision und Harmonie assoziiert wird. Doch was verbirgt sich wirklich hinter diesem Ausdruck? Ist es nur eine spezielle Technik des Reitens oder vielmehr eine Philosophie, die den Umgang mit dem Pferd auf eine besondere Weise prägt? Um das zu verstehen, lohnt es sich, die Geschichte, die verschiedenen Strömungen und die Grundprinzipien der Reitkunst genauer zu betrachten.
Die Wurzeln der Reitkunst: Von der Antike bis zur Renaissance
Die Ursprünge der Reitkunst lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Bereits im antiken Griechenland beschäftigten sich Menschen mit dem kunstvollen Umgang mit Pferden. Xenophon, einer der ersten bekannten Reitlehrer um 400 v. Chr., schrieb in seinem Werk Kynegetikos über den respektvollen und gesunden Umgang mit Pferden. Er betonte:
„Die beste Belohnung ist immer, wenn du dein Pferd nach einer guten Leistung ausruhen lässt.“
Und weiter:
„Die goldene Regel im Umgang mit Rössern ist, sich ihnen nie im Ärger zu nähern.“
Diese Worte spiegeln eine Haltung wider, die auch heute noch Gültigkeit besitzt: Das Pferd als Partner zu sehen und auf seine Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Über die Jahrhunderte hat sich daraus eine Kunstform entwickelt, die weit über reine Technik hinausgeht.
Die zentrale Idee: Partnerschaft zwischen Mensch und Tier
Ein Kernprinzip der Reitkunst ist die Beziehung zwischen Reiter und Pferd. Es geht nicht nur um das Beherrschen von Lektionen oder Figuren, sondern um das Schaffen einer harmonischen Verbindung. Der französische Reitlehrer Antoine de Pluvinel fasste dies einst zusammen:
„In der Ausbildung eines Pferdes trainiert man nicht nur das Tier, sondern auch sich selbst.“
Das Ziel ist es, durch feine Hilfen und gegenseitiges Verständnis ein Gleichgewicht zu erreichen, bei dem das Pferd entspannt und motiviert arbeitet. Dabei steht die Gesundheit des Tieres stets im Vordergrund: Das gesunderhaltende Reiten sorgt dafür, dass das Pferd auch im Alter noch vital bleibt.
Die Entwicklung verschiedener Strömungen in der Reitkunst
Im Lauf der Jahrhunderte haben sich unterschiedliche Ausprägungen der Reitkunst herausgebildet:
Barocke Reitkunst: Im 16. bis 18. Jahrhundert entstand diese Form vor allem an den europäischen Höfen. Sie wurde gepflegt als Ausdruck von Eleganz und technischer Meisterschaft. Hier standen Figuren wie Piaffe, Passage oder Courbette im Mittelpunkt – Lektionen, die sowohl auf der Erde als auch über ihr ausgeführt werden. Der italienische Meister Federigo Griso sagte einmal:
„Die Kunst besteht darin, das Pferd so zu führen, dass es wie ein fließender Strom wirkt.“
Klassische Reitkunst: Im 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelte sie sich weiter und verbindet Elemente aus barocker Tradition mit modernen Ansätzen. Zentren sind heute die Spanische Hofreitschule in Wien oder das französische Saumur. Der berühmte französische Lehrer De la Guérinière betonte:
„Der wahre Meister erkennt man daran, dass er sein Pferd nicht nur reiten kann, sondern es auch versteht.“
Doma Clásica: Die spanische Variante legt neben technischen Lektionen auch Wert auf folkloristische Elemente wie den Spanischen Schritt oder den Espagnol. Sie verbindet technische Perfektion mit kultureller Tradition.
Akademische Reitkunst: Hierbei handelt es sich um eine moderne Interpretation alter Lehren, maßgeblich geprägt durch Persönlichkeiten wie Bent Branderup. Er sagt:
„Das Ziel ist nicht nur Technik – es ist die Entwicklung eines ausdrucksstarken Partners.“
Das Training in der Reitkunst: Mehr als nur Bewegung
Reitkunst basiert auf einem tiefen Verständnis für Biomechanik und Tierpsychologie. Das Training erfolgt behutsam und geduldig – denn nur so kann das Pferd gesund bleiben und seine Beweglichkeit entwickeln. Es geht darum, Bewegungsqualität zu fördern – sei es beim Schritt, Trab oder Galopp – sowie bei hochkomplexen Lektionen wie Piaffe oder Passage.
Der französische Meister de la Guérinière formulierte einst:
„Ein gut ausgebildetes Pferd ist kein Zufall; es ist Ergebnis sorgfältiger Arbeit.“
Dabei spielt auch die Charakterentwicklung des Pferdes eine große Rolle: Jedes Tier hat individuelle Stärken und Schwächen sowie Vorlieben. Ein erfahrener Reiter erkennt diese Eigenschaften und fördert sie gezielt.
Warum bleibt die Reitkunst relevant?
In einer Welt voller Schnelllebigkeit bietet die klassische Reitkunst einen Gegenpol: Sie fordert Achtsamkeit, Konzentration und Respekt für das Tier. Für viele bedeutet sie mehr als Technik – sie ist eine Lebenseinstellung geprägt von Geduld, Feingefühl und gegenseitigem Vertrauen.
Der österreichische Lehrer Alois Podhajsky fasste zusammen:
„Die wahre Kunst des Reitens liegt darin, den Geist des Pferdes zu verstehen und ihn durch sanfte Führung zur Harmonie zu bringen.“
Fazit
Reitkunst ist viel mehr als nur eine Technik des Dressurreitens; sie ist eine Philosophie des Miteinanders zwischen Mensch und Tier über Jahrhunderte hinweg gewachsen. Sie verbindet technische Meisterschaft mit Respekt und Empathie – ein Streben nach Schönheit, Leichtigkeit und gegenseitigem Verständnis.
Wer sich auf diese Reise begibt, entdeckt nicht nur die Feinheiten eines kunstvollen Umgangs mit dem Pferd, sondern auch eine Lebenshaltung voller Achtsamkeit und Wertschätzung für unsere vierbeinigen Partner.
„Der Weg zur wahren Kunst führt durch Geduld.“ (Alter Spruch in der Welt der Reitkunst)
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