Rittmeister a.D. Georg Wilhelm von Reden-Lütcken – Teil 1
14. März 2023
Schule der Leichtigkeit ist keine neue Erfindung: Wege zu wahrer ReitKUNST
Beim Kursus Alexander-Technik und Reiten kam es mir 2007 wieder in den Sinn: Der Rittmeister hatte mir 1977 als junger Reitschülerin die Hände geführt, wenn sie wieder zu fest erschienen. Er stand neben mir und seinem Pferd mit dem Namen Anix – in seinem dicken Fellmantel, den er Sommer und Winter trug – und legte die Hände auf meine. So machte er durch seine Führung die Handgelenke frei, wo andere Reitlehrer auf einer recht starken Anlehnung der Ellenbogen am Körper und beinahe statischer Haltung der Handgelenke bestanden hatten. Heute erinnere ich mich gut:
Wenn alle Reitlehrer- Amateure wie Profis – die Lektüre der alten Reitmeister studieren würden, wüssten sie, was der Unterschied zwischen Reitlehre und Reitkunst ist? „Schorse“ wusste es: „Wenn Du immer nur ziehst und nicht nachgibst, reitest Du bald mit beiden Händen an Deinen Ohren!“
Wohin soll das führen? Ob er mir vergeben kann, was ich Ihnen/ Euch jetzt verrate? Irgendwas zog und zerrte an ihm. Es trieb ihn dann in die Deinster Voss-Klause: zwei Whisky mit gelber Brause. Zwei auf dem Weg zur Reithalle, zwei, wenn er nach Hause fuhr. Wer ihn kannte, erinnert sich gewiss daran. Mein Rittmeister wurde nur 66 Jahre alt. Für mich starb er viel zu jung…
Die Kraft der Inneren Bilder in Kombination mit einer Tüte voller Humor war ihm damals einfach schon eigen. Heute spricht alle Welt davon. Viele Jahre später erst kamen mir die Geschichten wieder in den Sinn, die er mir von seinem Standpunkt aus irgendwo in der Bahn vermittelt hat, ohne dabei zu schreien. Der „Schorse“, wie wir ihn heimlich nannten, konnte immer sehen, wenn wir den äußeren Schenkel nicht dran hatten oder den ihm so wichtigen äußeren Zügel zu vergessen drohten? Ich habe mich früher immer gefragt, wie er das erkannte, wenn er auf der anderen Seite stand? Heute sehe ich selbst: das Pferd verrät mir jedes Versäumnis seines Reiters im Sattel…
Zum Thema flexible Hände fällt mir die für mich wenig schmeichelhafte Sache mit Schorse ein: Wie alt ich damals war, kann ich nicht mehr genau sagen, aber vermutlich zwölf, höchstens vierzehn. Ich saß in der Halle in Helmste auf einem Pferd vom Schorse: Anix. Für meine 1,65 m „Stockmaß“ bis zur Haarspitze war der damals ein Riesenvieh, ähnlich unserem Grizou heute, Typus altdeutscher Hannoveraner. Vor mir ein Riesenoxer, auf der Tribüne meine Voltigiergruppe, neugierig, wie ich das meistern würde. Die habe ich alle nie wahrgenommen, ich wollte einfach mit Anix über diesen Oxer! Herz voran werfen und los? Ja.
Schon beim Anreiten aus der Ecke der extrem schmalen Reithalle merkte ich: das passt nicht! Anix war nicht der Typ von Pferd, das durch eine leichte Gewichtshilfe, mit einer halbe Parade, sein Tempo und seinen Galoppsprung ändern würde. Die kleine Karola ließ einfach den Dingen ihren Lauf und
knatterte auf den Sprung zu! Wirf Dein Herz voran? Anix zog an, sprang viel zu früh weg und katapultierte seine junge Reiterin fast aus dem Sattel… Mir blieb
keine Wahl, als einfach nur die Zügel nach vorn zu lassen, so weit ich dazu in der Lage war, und Anix den Hals frei zu halten. Dafür bekam ich vom Schorse noch ein Lob, während ich ein Donnerwetter erwartet hatte? Er wollte mich einfach nicht blamieren. So war er eben und das vergesse ich ihm nie!
Eigenwillige Haltungsformen
Einstreuen: Stroh warf der Rittmeister in halben Bündeln in die Boxen, weil er meinte, die Pferde könnten das viel besser verteilen als wir, und viel weniger Staub aufwirbeln? Recht hatte er. Heute verteile ich das Stroh aber etwas, so lange, wie die Pferde abends nicht im Offenstall sind. Mit Haferstroh decke ich nämlich das Strohmehl ab, damit die Pferde davon nicht naschen. Es riecht im Stall dann herrlich nach Eukalyptus und auch, wenn der Hersteller behauptet, es würden Pferde das nicht grundlos futtern: die kennen unsere verfressene Bande eben nicht! Mangelnde Streu über Strohmehl erzeugt evtl. Koliken, das hat schon einige Pferde ihr Leben gekostet…
Der Schorse amüsierte sich königlich, wenn ich nach der Stunde auf seinen Riesenpferden die Bügel hochschlug und in Jockeymanier in den ziemlich flachen Stalltrakt einritt. Er hatte immer Angst um meinen Schädel, weil er hoffte, dass da mal für die Nachwelt drin bleibt, was er lehrte. Als ich neulich an seinem Grabstein stand, habe ich ihm erzählt, wie sehr ich seine Lehren nun schätze und dass ich immer bemüht bin, die Fehler, die ich mit seinem Fohlen gemacht habe, nicht zu wiederholen. Wäre schon spannend zu wissen, was beide darüber denken: Meine Stute Shirkhana und er. Sie ist aus seinem Stall.
Beim Schorse habe ich schon als junges Mädchen gelernt, dass wir Pferden einiges zutrauen sollten: Sie sind intelligent genug (ganz gleich, wie wir als Verhaltenskundler Intelligenz definieren), um Jahrmillionen überlebt und sich an ihre Umwelt angepasst zu haben (Evolution!). Also lasse ich meine Pferde entscheiden, ob sie ihr Heu ins Wasser einweichen wollen oder nicht. Ob sie das Wasser am Heu wollen oder nicht. Theoretisch wird häufig publiziert, dass Pferde durch das Anfeuchten von Heu weniger Speichel produzieren. Das mag ja sein, aber mir ist es lieber, sie tauchen es ein und haben keine Probleme, als dass ich das Wasser woanders zur Verfügung stelle und sie haben Kolik oder Schlundverstopfung! Auf unserem Abenteuerplatz haben sie schon Tag und Nacht ausreichend Bewegung.
Schon als junges Mädchen brachte mich der Schorse auf die Idee, mit Pferden andere Wege zu gehen. Nicht nur, dass er über die Sprünge hinter seinem Hof unerwartete Gegenstände legte wie Teppiche und Plastiktüten oder Besen als Fänge benutzte. Seine Pferde sprangen deshalb alles. Einmal nahm Anix mit mir gegen meinen Willen die Hecke beim Turnier in Zeven und beendete damit vorzeitig meine Reiterprüfung. Eine Ausrede wie „Anix ist eben Springpferd“, die hätte Rittmeister von Reden-Lütcken von niemandem akzeptiert. Von mir schon gar nicht. Er betrachtete mich wohl als eine Art Meisterschülerin? Puh.
Als ich einem seiner Pferde das Fell mit einem Stallbesen abfegte, fiel er zuerst aus allen Wolken und wollte wissen, was das soll. Ich antwortete unbefangen, dass seine Stute Angst vor dem Besen gehabt hätte und ich ihr das gerade abgewöhnen wollte. Mit Erfolg, wie er zugab, als er vor Lachen fast hintenüber kippte. Wer sagt, dass Reitausbildung nicht auch Spaß machen darf? Niemand.
Text und Foto: Karola Bady
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