Pferde – geliebt, genutzt, gequält (Teil 3) – Ein früher Tod

14. Oktober 2022

In Europa leben nach offiziellen Zahlen (Stand 2015) rund sieben Millionen Equiden (Pferde, Esel und Maultiere). Inoffiziell ist davon auszugehen, dass es weit mehr Tiere sind. Dies liegt vor allem daran, dass viele Freizeitpferde aber auch unzählige Arbeitspferde, -esel und -maultiere besonders in Ost- und Südeuropa nirgends offiziell registriert sind. Allein in Deutschland geht die Deutsche Reiterliche Vereinigung von bis zu einer Millionen Pferden aus, während offizielle Zahlen weniger als die Hälfte ausweisen. 

 

Kaum eine Tiergattung wird so vielschichtig geliebt, genutzt und gequält wie die Equiden. Sie sind sowohl respektierte, behütete, teils verhätschelte oder falsch verstandene Freizeitpartner, unfreiwillige (Spitzen-)Sportler als auch Nutztiere. Häufig werden ihre natürlichen Bedürfnisse missachtet. Als ursprüngliche Steppenbewohner legten Wildpferdeherden einst kilometerweite Wanderungen zurück. Pferde, wie auch Esel und Maultiere brauchen Artgenossen, wollen sich möglichst jederzeit frei bewegen und sollten mehrmals täglich, besser noch permanent, Zugang zu Raufutter beziehungsweise Gras und Wasser erhalten. Hier gibt es mittlerweile viele gute Haltungsformen, die diese Grundbedürfnisse berücksichtigen. Trotz des Wissens um diese essenziellen Bedürfnisse wird auch in Deutschland nach wie vor ein Großteil der Pferde isoliert von Artgenossen in Boxen gehalten, Lastenesel oder Kutschpferde müssen oft zwölf oder mehr Stunden bei teils extremen Wetterbedingungen ohne genügend Futter und Wasser schwer arbeiten und Sportpferde werden viel zu früh und nicht angepasst an ihren Entwicklungsstand ausgebildet sowie teilweise unter Einsatz tierschutzwidriger Mittel zu Höchstleistungen gezwungen. 

Ein früher Tod 

Großpferde können 25 bis 30 Jahre alt werden, Ponys noch weitaus älter. Laut Versicherungsstatistiken erreichen Pferde in Deutschland heute jedoch durchschnittlich gerade einmal das achte Lebensjahr. Hauptursachen für einen so frühen Tod sind Atemwegserkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates . Neben den Tieren, die aus Alters- und Krankheitsgründen getötet werden, landen häufig auch Jungpferde beim Schlachter, die dem Zuchtideal nicht entsprechen oder Pferde aus der Stutenmilchproduktion. Die gezielte Mast von Pferden, wie beispielsweise in Italien, ist in Deutschland unüblich. Die Deutschen essen vergleichsweise wenig Pferdefleisch. Insgesamt ist die gewerbliche Schlachtung von Pferden bei uns rückläufig. 2014 starben in Deutschland 8.526 Pferde beim Schlachter, zwei Jahre darauf waren es 8.526 und Tiere. Im Jahre 2021 3.500 (Quelle: DESTATIS)   

 

Von Alpenidyll und Fohlengulasch 

Besonders bei den Touristen sind sie beliebt, die kuscheligen Fohlen, die gemeinsam mit ihren Müttern über die bayerischen, österreichischen und schweizer Bergwiesen tollen. Im Spätsommer und Herbst endet diese Idylle schlagartig. Auf Auktionen und Pferdemärkten werden die Fohlen angeboten (insbesondere Haflinger-, Süddeutsche Kaltblut-, Noriker-, und Freibergerfohlen), die die Züchter nicht behalten wollen oder können. Doch was passiert danach mit ihnen? 

PROVIEH wollte es genau wissen und fragte im Jahre 2015 bei den großen Zuchtverbänden an. Aus Bayern und aus der Schweiz erhielten wir Rückmeldungen. Vorstandsmitglied Florian Schelle vom Landesverband Bayerischer Pferdezüchter züchtet selbst Süddeutsche Kaltblutpferde. In einem Telefonat sprach er mit PROVIEH über die Bayerische Pferdezucht. Laut seiner Aussage werden Kaltblutpferde in Bayern als Kulturgut mit Familienanschluss angesehen. Ein großer Teil der Fohlen wird auf den traditionellen Fohlenmärkten verkauft. Gute Züchter bereiten die Jungtiere auf den Trubel und die Trennung von der Mutter behutsam vor. Die Amtstierärzte vor Ort kontrollieren und lassen nur gesunde Tiere zur Auktion zu. Die Pferde werden nicht gewogen, das heißt ihr Wert wird nicht am Gewicht und einer möglichen Fleischausbeute festgemacht. 

Viele Pferde würden laut Herrn Schelle an Liebhaber der Rassen verkauft und blieben im Lande. Dennoch stimmt Herr Schelle zu, dass auch Fohlen zum Schlachter gehen. Diese kämen aber nicht nach Italien, sondern in die Pfalz und den Bayerischen Wald. Zudem bestehe seit 20 Jahren eine Zusammenarbeit mit einem Tierschutzverein, der den Kauf von potenziellen Schlachtfohlen organisiert und die Tiere in gute Hände vermittelt. Die Bayerischen Züchter erhalten keinerlei Zuchtprämien. 

Anders ist es in der Schweiz. Dortige Züchter erhalten vom Bund für jede Stute, die ein Fohlen zur Welt bringt, pro Jahr umgerechnet 466 Euro. Zusätzlich zahlt der Schweizerische Freibergerverband (SFZV) eine Prämie für dreijährige Pferde, die den sogenannten Feldtest machen, eine Zuchtprüfung bei der die Jungpferde in ihrer Leistung geprüft werden und ihr Körperbau beurteilt wird. Schweizer Tierschützer bemängeln, dass durch diese Subventionspolitik des Bundes weit mehr Fohlen geboren würden, als vermittelt werden könnten. 2014 seien so  907 Freiberger-Fohlen geschlachtet worden. Stéphane Klopfenstein, Geschäftsführer des SFZV, bestätigte PROVIEH, dass 2014 circa 35 Prozent der 2.200 geborenen Fohlen als Folge der „Zuchtauslese“ im Land geschlachtet wurden. Dies entspräche sieben Prozent des in der Schweiz verzehrten Pferdefleisches. Die vom Bund praktizierte Pro-Kopf-Prämie für Freiberger-Fohlen erscheint PROVIEH problematisch, da die Züchter zu einer weniger gewissenhaften Zucht verleitet werden könnten. PROVIEH zieht eine Prämie ausschließlich für gesunde, tiergerecht gehaltene dreijährige Freiberger einer Fohlenprämie vor. Eine daran gebundene Zahlung würde zu einer überlegteren Zucht und einem sorgsameren Umgang sowohl mit den Müttern als auch den Fohlen führen. Nach unseren Recherchen hat sich trotz Forderungen seitens des Tierschutzes und der Politik bis heute nichts an den beschriebenen Förderungsmodalitäten geändert. 

Aus Österreich erhielten wir keine Antworten auf unserer Anfrage. Deshalb stützen wir uns auf unsere Recherchen. Es gibt dort mehrere Märkte beziehungsweise Auktionen, die im Spätsommer beginnen und mit einer großen Auktion in Maishofen im Oktober enden. Die Pferde werden gewogen und die Verkaufspreise orientieren sich am Gewicht. Da die Gewinne für den Verkauf von Pferdefleisch in Italien höher liegen, rentiert sich der Transport auch über längere Strecken. Laut österreichischen Tierschützern werden bis zu 90 Prozent der auf der Auktion angebotenen Fohlen am Ende geschlachtet. PROVIEH geht davon aus, dass viele auf lange Transporte gehen. Norikerzüchter erhalten im Rahmen des österreichischen Programms zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL) auf Antrag beispielsweise eine Zuchtprämie in Höhe von 210 bis 330 Euro pro Stute und 420 bis 640 Euro pro Hengst und Jahr unabhängig davon, ob die gezogenen Fohlen überleben oder zur Schlachtung verkauft werden. Der Vorteil dieser Prämie ist, dass die Zahlung zumindest nicht an den geborenen Fohlen festgemacht wird und die Prämie auch gezahlt werden kann, wenn die Stute in größeren Abständen fohlt. So wird eine „Massenvermehrung“ immerhin nicht konkret gefördert. 

Fakt ist, dass jährlich europaweit mehrere zehntausend Pferde sowie Esel und Maultiere zum Teil quer durch Europa zur Schlachtung vor allem nach Italien, Frankreich und Belgien transportiert werden. Aber auch Österreicher und Schweizer essen gerne Pferd. Zudem werden jährlich rund 14.772  Tonnen Pferdefleisch  allein aus Kanada Argentinien und Uruguay nach Europa importiert (Stand 2019). Zwar werden ihnen Überseetransporte erspart, dennoch leiden sie teilweise extrem. So sind der Umgang mit den Tieren sowie die Transport- und Schlachtbedingungen  zum Teil dramatisch. Recherchen von von Tierschützern beklagen schwerverletzte, abgemagerte Pferde, die in großen, stark verschmutzten Gehegen auf die Schlachtung warten. Oftmals werden sie über Tage weder mit Futter noch mit Wasser versorgt 

PROVIEH setzt sich für bessere Transportbedingungen aller „Nutztiere“ ein. 

Kathrin Kofent 

 

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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