Eleganz, Leichtigkeit und ein schwingender Rücken statt Rollkur

25. September 2018

Ausbildung | Brigtte Lenz 

Das Bewusstsein  für eine gesunde Gymnastizierung  in den einzelnen Reitdisziplinen betrifft längst nicht mehr nur das Pferd, denn der Reiter nimmt durch seine individuellen körperlichen und psycho-mentalen  Kompetenzen entscheidenden Einfluss auf die Rittigkeit und Gesundheit seines Pferdes.

Foto: Die Rollkur (Hyperflexion) ist keine moderne Erfindung, sie gab es schon in früheren Zeiten wie z.B. im Barockzeitalter.

Heute wird viel von Leichtigkeit, Harmonie, und Einheit im Freizeit- und Spitzensport gesprochen. Leider sprechen viele Bilder die wir zu sehen bekommen, eine andere Sprache. Verspannte, blockierte, undurchlässige und aufgerollte Pferde sind das Spiegelbild ihrer Reiter. Deutlich sichtbare und sich häufig widersprechende „ Hilfen“ sind ursächlich dafür verantwortlich. Wie aber können Reiter eine unsichtbare, pferdegerechte Hilfengebung erreichen? Wie lernt man das?

Das Pferd kann unter dem Reiter nur das zeigen, was der Reiter selbst für sich erarbeitet hat. Durchlässigkeit, losgelassenes An -und Abspannen der Muskulatur, Koordination, Balance, Rhythmus und Symmetrie sind nur einige der reiterlichen Eigenschaften die immer weiter verfeinert werden müssen. Nicht die häufig propagierte Unabhängigkeit von Sitz und Hand, sondern integrale also verbindende Funktionalität ist das Zauberwort für eine unsichtbare und pferdegerechte Hilfengebung.

Vorwärts und Abwärts

Die Dehnfähigkeit ins Vorwärts- Abwärts hat entscheidende Auswirkungen auf das funktionelle Zusammenspiel aller beteiligten Muskeln. Denn je besser, ihrer Funktionen entsprechend, die Muskeln gedehnt und trainiert sind, desto besser werden sie auch durchblutet und mit Sauerstoff versorgt. Ein gutes Zusammenspiel der Muskulatur bei Reiter und Pferd ist deshalb von besonderer Bedeutung. Denn nur die Arbeit in Muskelketten ermöglicht ein durchlässiges Pferd mit schwingendem Rücken. Das Training einzelner Bewegungsabschnitte, wie bei der Rollkur, ist beim Pferd  wie auch beim Reiter kontraproduktiv. Nur im Zusammenwirken mit anderen Muskelgruppen kann ein optimales An-und Abspannen der Muskulatur entstehen wodurch ein systematischer Kraftaufbau erst ermöglicht wird. Die Bauchmuskeln des Pferdes sind die Gegenspieler der Rückenmuskeln. Sie wirken unterstützend zu den Bewegungsmuskeln des Beckens, der Hinterhand und deren Vorwärtsbewegung. Je besser die Bauchmuskeln ausgebildet sind und funktionell tätig werden, desto besser kann das Pferd den Rücken aufwölben und die Hinterhand untersetzen, um den Reiter zu tragen. Durch die Überdehnung, Hyperflexion,   eines Teilbereichs der Muskulären Einheit und durch übertrieben lange  Dehnunsreize zum Beispiel durch kurze Hilfszügel, Schlaufzügel, zu starke eingesetzte Kandarrenanzüge durch eine festgestellte Hand kann es zu Folgeschäden beim Pferd kommen.

Es ist auch ein fataler Fehler, zu glauben, dass aus einem Training mittels der Rollkur (beschönigend lDR genannt: Low, Deep, Round) schöne qualitätsvolle  Piaffen, Passagen oder Galopppiouretten entstehen könnten. Dadurch dass die Halsmuskulatur separat betrachtet und unfunktionell trainiert wird und nicht mehr in einen Gesamtzusammenhang zu den restlichen Muskelklettern (Hinterhandaktivität und Rückentätigkeit) arbeiten kann, bilden sich die falsch trainierten einzelnen Muskelfasern unfunktionell aus .Durch diesen bereits in der Grundausbildung gemachten Fehler werden Versammlungen, Aufrichtung und Anlehnung immer darunter leiden. Für ein korrektes Training muss der Hals aus dem Widerrist heraus vorwärts- abwärts fallen und die Muskulatur funktionell  in die Dehnung und Verlängerung nach vorne gearbeitet werden. Der Reiter spürt, dass das Pferd in die Hand hineinzieht. Die Nasenlinie des Pferdes befindet sich vor der Senkrechten. Eine verkrampfte, festgezogene Muskulatur, wie es beim erzwungenen Blick des Pferdes zu Boden der Fall ist, verursacht seelische wie körperliche Schmerzen. Unter Schmerzen ist kein lockeres An -und Abspann der Muskulatur möglich und ebenso wenig eine gute, korrekte und koordinierte Leistung, weil die funktionelle Beweglichkeit im Gesamtsystem verhindert wird.

Rollkur

Wenn Pferdekopf und Hals eng, also hinter die Senkrechte gezogen werden, haben sie als Reiter damit gar nichts gewonnen weil:

  • eine Hemmung der Rückentätigkeit mit behinderter Wirbelsäulenmobilität die Folge ist.
  • das vorwärts nicht mehr gegeben ist, denn das „vor dem Reiter sein „hat nichts mit nach vorwärts (weg) laufen zu tun.
  • dass Pferd in den Boden läuft, das heißt die Hinterhand kann nicht unter treten, weil das  Becken durch fehlerhafte Zug aufgerichtet und die Kruppe flach wird. Dadurch wird die Hinterhand hinten herausgestellt und kann nicht mehr optimal unter den Schwerpunkt treten.
  • Der Rücken verspannt ist und nicht mehr und auf und ab schwingen kann.
  • Das Pferd psychisch misshandelt wird und durch den Menschen seiner Potenziale und Ausstrahlung beraubt wird, es wird in seinen Möglichkeiten gestört.
  • Das Pferd gesundheitlich, körperlichen wie seelischen Schaden erleidet.

 

Merke: richtiges Dehnen und gymnastizierendes Reiten sind die beste Gesundheitsvorsorge.

 

Tipps für den Reiter:

  • der Entlastungsitz im Trab und Galopp kann helfen, um eine vermehrte Dehnungsbereitschaft zu unterstützen.
  • Das Tempo sollte individuell so gewählt werden dass das Pferd im Rücken schwingen kann oftmals  kann dafür auch ein untertouriges Tempo sinnvoll sein, damit die Muskulatur sich nicht bei zu hohem Tempo zur Stabilisierung festhält.
  • Trab-Galopp Übergänge: die langen Rückenmuskeln arbeiten im Galopp beidseitig nahezu synchron, in Trab aber wechselseitig und diese wechselnde Aktivität löst den Rücken und führt zu einem lockeren Schwingen.
  • Rückwärts richten: dabei werden Rücken -und Lendenmuskeln  aufgewölbt. Leichte Entlastung des Pferderückens durch minimales Vorneigen des Reiters hilft dem Pferd.
  • Versammlungsintervalle nicht zu lange ausdehnen, dazwischen immer wieder die Dehnungshaltung zulassen und erarbeiten.
  • Die seitliche Biegearbeit unter dem Reiter sollte dem Exterieur  und der Größe des Pferdes entsprechen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Sie das Pferd auf zu engen Kreisen überfordern, falsch belasten oder es auf viel zu großen Linien ohne ausreichende Biegung ermüden.
  • Die seitliche Dehnung von Hals und Halsansatz in Verbindung mit der Rumpf- dehnung über die Seitengängen im Schritt oder einer schwunghaften Gangart fördern die Schulterfreiheit und haben lösende Funktionen auch auf die vertikale Schwingungsfähigkeit der Rückenmuskeln.

 

Ein Kurzer, strammer Pferderücken ist eine besondere Herausforderung die Dehnung in das Vorwärts- Abwärts  zu erarbeiten.

 

Der Reiter sollte sich seiner eigenen Verantwortung mehr bewusst werden. Er hat es durch seine Haltung und Einwirkung  in der Hand (nachgiebig zu sein), beziehungsweise ist als Reiter meist selbst die Ursache für Probleme seines Pferdes. Da hilft es wenig nur das Pferd immer wieder zu therapieren. Deshalb wird es immer wichtiger, sich als Reiter professionelle Hilfe zu suchen, die eigene Schiefe und Dysbalancen zu beheben und die eigene Haltung und Einwirkung auf dem Pferd durch kompetente Hilfe zu verfeinern. Es ist wirklich an der Zeit gängige, überholte Unterrichtsvermittlung und Anweisungen in der Reiterei zu hinterfragen und neue Perspektiven aufzugreifen die die individuellen Gegebenheiten von Mensch und Pferd beachten und beide Partner schneller und effektiver lernen lassen. Jeder Reiter kann mit der richtigen Anleitung seine Hilfen verfeinern. Das ist kein Hexenwerk!

 

Fortbildung „Das Integralenz® – Balance – Konzept (I.B.K.)“ :

  • Umfasst eine ganzheitliche Sichtweise die Körper und Psycho – Mentale Gegebenheiten mit einschließt.
  • Vermittelt den geschulten Blick für das Integrale (Verbindende) und Individuelle. Jeder Reiter und jedes Pferd sind anders.
  • Hat den roten Faden einer unsichtbaren Hilfengebung und die Gesundheit immer im Blick.
  • Entschlüsselt Geheimnisse  für gesunde Erfolge  im Sattel & im Leben.
  • Die Basis ist die klassische Reitlehre. Das Konzept ist Reitweisen übergreifend, für jedes Leistungsniveau.

 

Ziel dieser Fortbildung  Schneller und effektiver lernen und lehren!

Für alle interessierten Reiter, Ausbilder, Reitlehrer und Therapeuten bieten sich vielfältige Möglichkeiten das professionelle Wissen in den unterschiedlichsten Bereichen in der Arbeit mit Mensch und Pferd einzusetzen. Durch die Fortbildung eröffnen sich neue, sehr interessante Arbeitsgebiete.

Über die Autorin:

Brigitte Lenz

Ist staatlich anerkannte Physiotherapeutin und Pferdeosteopathin, Trainerin  FN Leistungssport, aktive Dressurreiterin,  Autorin und sie begründete das IntegraLenz®- Balance Konzept (I.B.K) Ihr besonderer  Fokus liegt auf dem Reiter und auf einer unsichtbaren Hilfengebung. In ihrer Praxis (u.a. Schiefentherapie des Reiters) und bei der Schulung auf dem Pferd, hat sie sich  die Vermittlung einer feinen Hilfengebung durch das Reiten im dynamischen Gleichgewicht zur Aufgabe gemacht. Sie schult Reiter,  Ausbilder und Trainer im Freizeit- und  im ambitionierten Leistungssportbereich. Sie vermittelt ihr Wissen in Einzelarbeit, Seminaren, Workshops, sowie auf Fachveranstaltungen und bildet Reiter und Pferde nach ganzheitlichen und funktionellen Grundsätzen aus.

 

Weitere Infos: Brigitte Lenz www.integralenz-reitcoaching.de 

Brigitte Lenz

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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