Anja Beran – Der Spanische Schritt

13. Juli 2018

Ausbildung | Anja Beran 

Sollten Sie Interesse an einer Lektion haben, die nicht zu den Klassikern zählt – die Rede ist vom Spanischen Schritt – so ist Ihr Pferd jetzt reif, um damit zu beginnen.
Eine Voraussetzung hierfür haben wir bereits erarbeitet, nämlich das korrekte Stehen. Genau wie bei der Piafe möchte ich Ihnen auch jetzt raten, diese Übung nur zu beginnen, wenn das Halten sicher funktioniert. Sie erziehen sich sonst ein Pferd, das unter Umständen herumscharrt oder ein Bein streckt, während Sie einfach nur anhalten möchten. Mit etwas Geschick können Sie sich als geübter Freizeitreiter an diese Lektion heranwagen, denn sie ist längst nicht so diizil wie beispielsweise die Piafe und die Gefahr, dass Sie Ihr Pferd verderben, wenn Ihnen ein Fehler unterläut, ist wesentlich geringer.
 

Um den Spanischen Schritt erfolgreich zu erlernen, ist Bedingung, dass Ihr Pferd gerade im Schritt geht und vorne nicht zu eng steht. Sonst kann es passieren, dass es aus anatomischen Gründen beim Spanischen Schritt die Spur der Vorderbeine kreuzt, was extrem unschön aussieht. Lassen Sie den Spanischen Schritt dann lieber sein. Stehen Pferde vorne und hinten sehr eng, dann werden sie Schwierigkeiten haben, diese Übung auszuführen, ohne zu schwanken. Denn bei richtiger Ausführung streckt das Pferd ein Vorderbein, während es darauhin mit dem diagonalen Hinterbein abfußt, um nach vorne zu treten. Da solche Pferde auf zu schmalem Fundament stehen, können sie kaum das Gleichgewicht halten und fangen an zu torkeln. Verzichten Sie mit so einem Pferd ebenfalls auf diese Lektion und auch mit Pferden, die von Natur aus Passgänger sind, ist diese Lektion schwierig.
Für alle anderen Pferde ist es eine gute Schultergymnastik und eine ausgezeichnete Übung zur Verbesserung der Konzentration und Koordination. Gerade bei Pferden, die mit wenig Trab gesegnet sind oder die zu viel „Knieaktion“ haben, kann das Erlernen des Streckens der Vorderbeine die Möglichkeiten des Trabes verbessern. Sie lernen, vermehrt nach vorne auszugreifen, und verlieren dabei ein wenig ihren gebundenen oder hochgewinkelten Gang.

P.R.E.-Hengst Ofendido tritt im Spanischen Schritt kratvoll an den Zügel heran.

Diese Lektion beginnen wir bevorzugt an der Hand, wozu das Pferd mit Kappzaum ausgerüstet sein sollte. Wir halten es an der Bande an und wenn es geschlossen steht, tippen wir mit der Gerte das innere Vorderbein an. Beim ersten Mal gilt es, die Stelle herauszuinden, an der es am besten reagiert. Das kann am Oberarm, am Karpalgelenk, am Röhrbein oder an der Fessel sein, und zwar von vorne oder von hinten. Hebt das Pferd das Vorderbein, wird es unverzüglich gelobt. Wir fahren fort, es zu touchieren, bis es die gewünschte Reaktion von Heben und nach vorne
Strecken zeigt. Sofort loben wir es erneut und bringen es zurück in seine Box. Wichtig ist, dass Sie Ihr Pferd nicht vor der Gerte zurückweichen lassen. Versucht es das, treiben Sie es energisch nach vorne und halten wieder an. Stellen Sie sich immer neben Ihr Pferd und nicht davor, Sie könnten sonst getrofen werden! Haben Sie außerdem immer ein Auge auf Halsund Kopfhaltung Ihres Pferdes. Kommt es zu tief, hat es die Schultern nicht frei, um nach vorne  heraustreten zu können. Ist es zu hoch, drückt es den Rücken durch und kann später nur schwer mit den Hinterbeinen  lüssig mitgehen. Achten Sie außerdem darauf, dass Hals und Kopf gerade sind, nur so ist garantiert, dass das Gewicht  des Pferdes auf beide Vorderbeine gleichmäßig verteilt ist. Hat es nämlich auf einem Bein mehr Gewicht, so  können Sie bei diesem die Streckung schwerer auslösen. Manche Pferde neigen dazu, das innere Bein schräg zur  Bande zu strecken, das sollen sie sofort unterbinden, indem sie ihr Pferd in Schultervoroder sogar Schulterhereinabstellung anhalten und dann die Streckung des Vorderbeines verlangen. Üben Sie das Anheben des  Vorderbeines auf jeder Hand. Sollte Ihr Pferd beginnen zu scharren, dann treiben Sie es nach vorne. Nach und nach verlangen Sie das Anheben und Strecken im Gehen. Ihr Pferd sollte inzwischen auf leichteste Berührung der Gerte  energisch nach vorne treten. Passen Sie immer auf, dass es gerade bleibt und nicht zur Bande oder ins Bahninnere  streckt. Hat es Ihnen einige Male das Vorderbein schön und lüssig nach vorne gehoben, halten Sie an und loben es. Verlangen Sie dabei unbedingt ruhiges Stehen!

Klappt das auf jeder Hand gut, können Sie dazu übergehen, auch das äußere Bein zu touchieren. Tippen Sie Ihr Pferd   präzise außen an und bestehen Sie darauf, dass es Ihnen das gewünschte Vorderbein gibt. Hat es verstanden,   loben Sie es und gehen nun dazu über, einmal das linke und einmal das rechte Bein anzufordern.      Entscheidend ist, dass Sie immer kurz vor dem Augenblick des Abfußens touchieren. Seien Sie dabei diszipliniert und  verlangen Sie, dass Ihr Pferd Ihnen konzentriert folgt. Nichts ist schlimmer als Pferde, die die Vorderbeine unkontrolliert nach vorne schleudern. Können Sie jedes Vorderbein einzeln abrufen, beginnen Sie erst das äußere und dann sofort das innere zu verlangen. Hat Ihr Pferd diesen ersten Wechsel ausgeführt, loben Sie es überschwänglich. Mit der Zeit  verlangen Sie drei Tritte, dann vier und steigern so immer weiter. Wichtig ist, dass Ihr Pferd stets gerade und lüssig  nach vorne geht und nicht anfängt zu schwanken oder stehen zu bleiben. Passiert das, müssen Sie wieder einen Schritt zurückgehen in der Ausbildung und das Anheben der Vorderbeine nochmals einzeln verlangen. Hat das Pferd    das Strecken der Vorderbeine im Schritt verstanden, können Sie parallel zu der Ausbildung an der Hand dazu  übergehen, es unter dem Sattel zu probieren. Tippen Sie dazu das Pferd von oben an der jeweiligen Schulter an und verlangen Sie die Beinstreckung. Gleichzeitig versuchen Sie durch leichtes Anheben der Zügelfaust die gewünschte Reaktion herbeizuführen. Der diagonale Schenkel treibt ein wenig, um das entsprechende Hinterbein zum Mittreten  aufzufordern. Sie dürfen jedoch nicht so stark einseitig treiben, dass Ihr Pferd mit der Hinterhand zu pendeln beginnt. Das ruiniert  Ihnen das Vorwärts und in der Folge den Spanischen Schritt.
Reiten Sie Ihr Pferd in einem möglichst versammelten Schritt und versuchen Sie allmählich, das Antippen mit der Gerte durch die beschriebenen Zügelund Schenkelhilfen zu ersetzen. Kontrollieren Sie immer wieder Ihren Sitz und  vermeiden sie es, sich im Sattel zum entsprechenden Vorderbein hinzubeugen oder seitlich hin und her zu rutschen. Ihr Pferd, das bisher sehr fein geritten wurde, wird sofort anfangen zu torkeln. Es existiert nämlich nicht nur das Schwanken im Spanischen Schritt aus anatomischen Gründen, sondern allzu ot sind es Reiterfehler, die das Pferd aus dem Gleichgewicht bringen.

Enorme Aktion von Friesen-Hengst Gawain unter Silvia Wimmer

Im Idealfall geht Ihr Pferd später einen gleichmäßigen, geraden Spanischen Schritt, bei ruhiger Anlehnung und gleichbleibender Aufrichtung. Grob fehlerhat ist es, wenn es bei jeder Streckung den Hals und Kopf über den Zügel hebt. Schuld daran ist ot mangelnde Gymnastizierung des Rückens oder aber ein zu starkes Anheben der Zügelhand, wodurch der Reiter das Pferd nach oben zieht! Kontrollieren Sie also immer wieder Ihre Hände!
Die Grenzen für die Ausführung des Spanischen Schritts liegen im Exterieur des jeweiligen Pferdes, sie gilt es zu respektieren. Art und Ausdruck dieser Lektion sind daher von Pferd zu Pferd sehr unterschiedlich. Pferde mit viel Vollblutanteil wie beispielsweise die Araber heben das Vorderbein teilweise sehr steif und nicht allzu hoch nach oben. Der Spanische Schritt sieht dann etwas zackiger bzw. abgehackter aus. Friesen haben otmals eine sehr lockere Schulter und rollen den Spanischen Schritt kratvoll nach vorne oben heraus. Dadurch wirkt diese Lektion bei ihnen in der Regel extrem imposant. Iberische Pferde und Warmblüter können die Übung meist sehr elegant ausführen.

Hat das Pferd den Spanischen Schritt verinnerlicht, gibt uns das eine gute Basis für die Ausbildung weiterer Lektionen: die Passage und der Spanische Trab, auch gestreckte Passage genannt. Zudem haben wir nun auch ein Mittel, um den starken Trab, den wir später trainieren, eventuell ein wenig zu verbessern, falls unser Pferd aufgrund seines speziischen Bewegungsablaufes einfach nicht nach vorne greifen sollte.

Anja Beran

Fotos: Maresa Mader/ Aus Respekt, KOSMOS Verlag


Über die Autorin

Anja Beran steht für gelebte Reitkunst. Auf Gut Rosenhof bildet sie seit über 25 Jahren Pferde unterschiedlichster Rassen bis zum höchsten Niveau aus. Ihr Wertesystem vermittelt Disziplin, Fleiß, Höflichkeit, Respekt und Liebe zu Mensch und Tier. Die Anja Beran Stiftung setzt sich für eine Pferdeausbildung mit Gefühl und Respekt auf Basis der klassischen Lehre und für den Tier- und Naturschutz ein.

www.anjaberan.de

 

 

 

 

 

 

Leseprobe aus dem Buch

Aus Respekt – Reiten zum Wohle des Pferdes | überarbeitete Neuauflage

Anja Berans universelles Standardwerk lässt keine Wünsche offen. Ob Anfänger oder fortgeschrittener Dressurreiter – hier findet jeder Reiter unverzichtbares Basiswissen, angefangen vom mentalen und körperlichen Rüstzeug bis hin zur pferdegerechten Ausbildung. Detaillierte Zeichnungen und Erklärungen geben eine konkrete Anleitung, wie selbst schwierige Lektionen gelingen. Ergänzendes Hintergrundwissen macht deutlich, welchen Sinn jede Lektion für die Ausbildung des Pferdes hat. Inklusive einem Kapitel von Dr. Gerd Heuschmann.

Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
Verlag: Kosmos Verlag; Auflage: 2 (1. Juni 2017)
Größe: 19 x 25,3 cm

ISBN-10: 3440152529
ISBN-13: 978-3440152522

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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