Tapen – heilende flexible Streifen

26. Juni 2018

Gesundheit | Claudia Hellweg

Immer häufiger sieht man Menschen, bei denen bunte Bänder, mal kurz mal lang, an Knie, Schulter oder Arm aufgebracht sind. Ursprünglich wurden die bunten Bänder in den 70er-Jahren von dem japanischen Chiropraktiker Kenzo Kase für den menschlichen Körper entwickelt. Inzwischen finden diese Tapes auch bei Pferden zunehmend Anwendung, denn ihre Wirkung ist überzeugend.

Bis vor einigen Jahren war diese Methode zur unterstützenden Therapie nicht besonders weit verbreitet. Skeptiker sprachen vom Placeboeffekt. Inzwischen dürften viele Patienten und Sportler, die die Vorzüge des Tapens am eigenen Körper erfahren haben, dem Widersprechen.
Durch die ständige Weiterentwicklung, die Therapieergebnisse und Forschung im Humanbereich kam es dazu, die Methode des Kinesio-(Bewegung)-Tapes auch für das Pferd einzusetzen. Die Beschaffenheit des Tapes spielt bei einer erfolgreichen Anlage eine große Rolle. Das hängt mit der optimalen eigenen Elastizität des Materials zusammen. Ein gutes Tape erkennt man daran, dass die Eigenelastizität vergleichbar ist mit der Dehnungsmöglichkeit eines Muskels. Damit die verschiedenen Anlagemöglichkeiten ihre optimale Wirkung erzielen können, muss unbedingt durch einen geschulten Therapeuten eine Erstanamnese erstellt werden. Hierzu gehört nicht nur der praktische Untersuchungsgang am Pferd, sondern auch die genaue Befragung des Besitzers.
Das Tapen ist keine Therapie, die für sich alleine steht oder nach „Schema F“ genutzt werden sollte, sie ist immer individuell einzusetzen. Eine der häufigsten Fragen der Pferdebesitzer wird zu der Auswahl der Farbe gestellt. Tape-Entwickler Kenzo bezieht sich hier auf die Farblehre, in dem nach kalter und warmer Farbe unterschieden wird, um bestimmte Ergebnisse zu erzielen. Rot ist eine warme Farbe, Blau zählt zu den kalten Farben.
Und natürlich ist es für den Pferdebesitzer wichtig zu wissen, wie lange das Tape auf dem Pferd verbleibt. Grundsätzlichen sollte die Anlage so lange wie möglich auf dem Pferd verbleiben. Im besten Falle, bis sie sich von alleine ablöst. Je nach Indikation wird individuell entschieden, ob das Kleben wiederholt werden sollte. Dabei hängt die reine Haltbarkeit auf dem Fell von verschiedenen Faktoren ab. Länge und Sauberkeit des Fells spielen dabei eine Rolle. Und natürlich die Haltungsform: Ist das Pferd eingedeckt oder nicht, steht das Pferd im Herdenverband auf der Weide und ist somit das Tape der ständigen gegenseitigen Fellpflege ausgesetzt.
Der Einsatz der Taping-Therapie bei den verschiedensten Krankheitsbildern entwickelt sich auch heute immer noch weiter. Genau wie im Humanbereich stehen auch beim Pferde-Tape die Akademien, Kliniken und Therapeutenverbände international im ständigen Austausch, was ihre Studien und Forschungsergebnisse angeht.

Anlagetechniken
Einschränkungen im Bewegungsapparat des Pferdes werden häufig durch eine Unausgewogenheit in der Muskulatur zwischen Agonist und Antagonist ausgelöst. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Im Fotobeispiel zu sehen ist ein Pferd, das seit längerer Zeit unter einer Blockade im Kreuzdarmbeingelenk litt. Als Folge ist ein Ungleichgewicht in der Muskulatur entstanden, die hier mit einer Anlage am M. Biceps femoris tonisierend (den Muskel zur Kontraktion anregend) getapt wird.
Das Tape soll in seiner Funktion immer das Bestreben haben, dem Muskel zu helfen und ihn zu unterstützen, somit wird je nach Problemfall entschieden, ob der Muskel tonisierend oder detonisierend getapt wird. Tonisierende Anlagen werden angewandt bei Atrophie der Muskulatur, bei der schlechten Entwicklung eines einzelnen Muskels oder gesamter Muskelgruppen. Hierfür werden warme Farben für das Tape gewählt.

Detonisierende Wirkung des Kinesio-Tapes am Beispiel des M. Trapezius
Eine Anlage, die detonisierend (den Muskel entspannend) wirkt, wird zum Beispiel bei einem hohen Muskeltonus angewandt. Ein ausgeprägt starker Muskeltonus kann entstehen, wenn ein Muskel in einer bestimmten Haltung fixiert wird. Zum Beispiel weil das Pferd durch Hilfszügel in eine bestimmte Haltung gezwungen wird oder weil es aufgrund einer Verletzung für längere Zeit eine Schonhaltung einnimmt. Der Muskel wird dauerhaft stärker beansprucht und entspannt nicht mehr wie gewohnt. Um einen solchen Muskel mit hohem Tonus zu behandeln, verwendet man ein Tape mit kalter Farbe. Das Beispiel zeigt die Anlage am M. Trapezius, ein häufig vorkommender Problembereich, meist leider durch falsche Reitweise herbeigeführt.

Bei einer Muskelanlage wird die betroffene Struktur vorgedehnt, während das Tape angebracht wird. Das heißt, die Struktur wird im optimalen Fall in die maximale Dehnung gebracht, somit entstehen in der ungedehnten Haltung viele Hautfalten, die für mehr Raum und somit für eine bessere Durchblutung und einen vermehrten Flüssigkeitsaustausch sorgen. Der Muskelschmerz wird dadurch sofort gelindert, da die Kompression in der Struktur nachlässt und die Schmerzrezeptoren nicht mehr gereizt werden.

Lymphanlage
Das Lymphtape macht sich die vermehrte Raumschaffung zum Vorteil. Durch das Anheben der Haut wird das transportierende Gefäßsystem (Lymphsystem) angeregt und aktiviert. Der Flüssigkeit wird durch die Richtungsvorgabe der Weg zum nächsten Lymphknoten gewiesen. Sehr gute Erfolge erzielt man hiermit nicht nur bei Ödemen an den Gliedmaßen, sondern ganz besonders auch bei großflächigen Hämatomen. In Zusammenarbeit und unter Beobachtung des behandelnden Tierarztes kann unter Umständen ein chirurgischer Eingriff zur Öffnung des Hämatoms, durch die Anlage eines Lymphtapes verhindert werden.
Faszienanlage
Den Faszien im Körper werden heute eine immer größere Bedeutung beigemessen, gerade wenn es um Schmerzbefunde geht und man die Gesamtheit des Körpers beachtet. Die einzelnen Faszien haben eine enge Verbindung zueinander und stehen in ständiger Kommunikation miteinander. Daher kann sich eine einzelne Störung weitreichend bemerkbar machen. Während des Untersuchungsgangs sollte immer mit beachtet werden, ob die Haut, somit die Faszie, sich gleichmäßig gut verschieben lässt. Hier kann an betroffenen Strukturen ein Tape zur Verbesserung der Beweglichkeit angelegt werden.
Ligamenteanlage
Die eher wenig dehnbaren Bänder im Körper stabilisieren die Gelenke, die faserartigen Bindegewebsstränge können überdehnen, zerren oder sogar reißen. Bei einer Beeinträchtigung des Bandapparates kann durch die Anlage des Tapes direkt Einfluss auf die Propriozeptoren genommen werden und so eine wichtige zusätzliche Stabilisation erfolgen. Häufig kommt diese Anlage bei überdehnten Kniebändern, Reizung des Fesselträgers oder Hypertonus des Nackenbandes zum Einsatz.

Das Korrekturtape wird zur aktiven Korrektur einer Struktur eingesetzt oder auch als Prävention. Korrigiert werden können sogar Fehlstellungen der Gliedmaßen oder auch, wie als Beispiel auf dem Foto abgebildet, ein falscher Bewegungsablauf der Kniescheibe.
Sollte während einer Behandlung durch Manipulation eine Blockade gelöst worden sein und es besteht die Vermutung, dass diese Fehlstellung sich bald wieder einschleicht, kann mit dem Korrekturtape präventiv gearbeitet werden. Gerade in solchen Fällen ist es sinnvoll, zusätzlich mit einem Tape in Muskelanlage zu arbeiten, damit die umliegende Struktur aktiviert wird und somit unterstützend mitarbeitet.

Die verschiedenen Anlagetechniken können wahlweise miteinander kombiniert werden. Wie man bei der Abbildung gut erkennen kann, wurde hier bei einem Spätbefund zur Entlastung des Sprunggelenks eine Korrekturanlage mit einer stützenden Ligamenteanlage kombiniert. Bei dem sogenannten Fesselringbandsyndrom ist es sinnvoll, eine Anlage zur Verbesserung des Lymphabflusses mit der entlastenden Anlage am Ligament zu kombinieren.
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Das Cross-Tape
Das Cross-Tape ist eine Sonderform, alleine durch sein Äußeres unterscheidet es sich schon von den bisher kennengelernten Anlagen. Auch seine Wirkungsweise ist eine andere. Dieses Tape gibt es in verschiedenen Abmaßen, die je nach Indikation ausgewählt werden. Man nutzt es vorwiegend an Muskeltriggerpunkten und Akupunkturpunkten.
Wie wir bereits aus der Traditionellen Chinesischen Medizin wissen, verlaufen ca. 2 mm unterhalb der Haut Energieleitbahnen, die mit den unterschiedlichen Organen und Strukturen im Körper kommunizieren. Bei unterschiedlichen Erkrankungen kann es zu einer Störung im Energiefluss kommen und es bildet sich ein sogenannter Energiestau. Das Cross-Tape findet genau an dieser energiegeladenen Stelle seinen Platz, es verbessert den Energiefluss und löst somit den Schmerz auf.

Als Pferdephysiotherapeutin setze ich nun seit knapp zwei Jahren das Tape als unterstützende Therapie ein und bin schlichtweg begeistert von seiner Wirkung. Diese zusätzliche Möglichkeit bei meiner Arbeit am Pferd möchte ich nicht mehr missen. Sie unterstützt meine ganzheitliche Betrachtung und Behandlung am Pferd. Die Genialität des Tapens liegt für mich in der aktivierenden Unterstützung von Haltung und Bewegung.

Autorin:

Claudia Hellweg
Pferdephysiotherapeutin, Ausbildung Dipo in Dülmen
Akupunktur am Pferd, Ausbildung Institut Barbara Welter-Böller
EquiK-K-Taping Therapeutin, K-Taping International Academy

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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