Gebisslos reiten – Fluch oder Segen fürs Pferd?

7. Juni 2018

Ausbildung | Rebecca

Immer wieder stellt sich die Frage, ob gebisslos reiten tatsächlich sanfter ist, oder ob es auf den Zaum und die entsprechende Umgehensweise mit selbigem ankommt.

Hierfür muss man sich zunächst einmal die Frage nach dem Sinn des gebisslosen Reitens stellen. Der Grundgedanke sollte eigentlich eine Verlagerung der reiterlichen Einwirkung von den Zügelhilfen auf Sitz- und Beinhilfen sein. Ein ausbalancierter Reitersitz ermöglicht eine feine und gefühlvolle Zügeleinwirkung.

Ob Hackamore, Bosal, Glücksrad, etc., auch gebisslose Zäumungen ermöglichen eine Einwirkung auf den Pferdekopf, zwar nicht auf das Pferdemaul, dafür aber auf die empfindlichen Nasennerven und zum Teil auch auf das Genick. Mit einer Hackamore-Kandare kann eine so starke Hebelwirkung entstehen, dass man sogar das Nasenbein des Pferdes brechen könnte. Selbst über den Halsring kann eine Einwirkung auf das Pferd möglich sein, die nicht erforderlich wäre, wenn das Tier über Schenkel- und Gewichtshilfen geritten werden kann.

Wenn man also gebisslos reiten möchte, um eine Einwirkung auf den Pferdekopf zu vermeiden, heisst das nicht, dass ein gebissloser Zaum eine schnelle und einfache Lösung ist. Die Frage ist vielmehr, das Pferd so zu trainieren, dass man nicht mehr über die Zügel einwirken muss, sondern es eben nur noch über Sitz und Bein steuern kann.

Viele Trainer beginnen die Ausbildung eines Remonten wie gehabt mit einer Wassertrense, da man so alle Körperteile des Pferdes dirigieren kann und dem Pferd durch die einseitige Zügeleinwirkung beim Erlernen der Wendungen behilflich sein kann. Erst wenn das Pferd diese Hilfegebenung in Zusammenspiel mit Sitz und Bein erlernt hat und sich sicher lenken lässt, wird auf eine gebisslose Zäumung umgestellt. Dabei sollte es nicht nur die Grundgangarten unter dem Reiter beherrschen, sondern auch das Rückwärtsrichten, Übergänge zum Halten und alle Arten von Wendungen.

Zudem gibt es auch Studien, die empfehlen das Pferd mit dem Gebiss zu reiten, weil das enstpannte Abkauen den Kiefer und das Genick lockert, wodurch das Pferd angeregt wird den Hals fallen zu lassen und den Rücken aufzuwölben.

Die Aufgabe einer Zäumung ist also generell nicht, das Pferd zu bremsen, zu geisseln und es zum Gehorsam zu zwingen, sondern es zu orientieren und zu unterstützen. Oftmals ist also zunächst einmal die Einstellung des Reiters gefragt. Reiten mit Kraft bedeutet immer gegen das Pferd zu arbeiten und im Endeffekt geht das Pferd als stärkere Partei immer als Gewinner aus einem Konflikt hervor, oder mit gebrochenem Willen. Ist der Reiter also von Grund auf darauf bedacht, das Pferd mit Geduld und Lob zu behandeln und einen Weg zu finden in der Ausbildung so zu arbeiten, dass das Pferd verstehen kann, was es tun soll, ist auch keine Gewalt oder Zwang erforderlich.

Die Frage nach einem am Wohlergehen des Pferdes orientierten Reiten sollte sich also in erster Linie an einer reellen Ausbildungs- und Reitweise orientieren, ohne unpassende Reithalfter, zugeschnürte Mäuler, unbequeme Gebisse oder unsachgemäss genutzte Kandaren, mit oder ohne Mundstück…

 

 

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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