Die Gewichtshilfen

9. März 2018

Ausbildung | Brigtte Lenz

Geheimwissen einer unsichtbaren Hilfengebung

Vom Freizeitreiter bis zum Spitzensportler, unabhängig von der Reitweise, gewinnt das Thema Gewichtshilfen in der Klassischen Dressur immer mehr an Bedeutung. Viele springen jetzt auf den Zug auf. Doch Vorsicht ist geboten, denn es gibt die abstrusesten Erklärungen, Theorien und Halbwahrheiten, die nicht zielführend sind und es dem Pferd eher erschweren als eine echte Hilfe zu sein.

Jetzt sind Sie als Reiter aufgefordert, selbst Experte für sich und ihr Pferd zu werden. Denn die Grundlage jeder Gewichtshilfe ist die Pferdebewegung wirklich differenziert zu erspüren und sich darauf einzulassen. Wer diese ganz besondere Fähigkeit mittels eines kompetenten Trainers erlernen konnte, wird auch mit seinem Gewicht sehr bewusst und fein einwirken können.

Die integralen Gewichtshilfen, wie ich sie nenne, weil sie eben nicht statisch das Pferd belasten, verändern sich ständig, und sind Teil des funktionellen Bewegungsablaufes des Pferdes. Die integrale (verbindende) Hilfengebung besteht in erster Linie aus der dynamischen Gewichtshilfe. Sie schließt auf natürliche Weise Schenkel und Zügelhilfen ein, die dadurch auf ein Minimum reduziert werden. Es kommt zu einer sehr feinen  und unsichtbaren Gesamteinwirkung.

Hier ein paar Beispiele wie Sie frischen Wind in ihre Gewohnheiten bringen und ihre alten Denkmodelle ändern können.

Wendungen:

Die Blickführung leitet die funktionellen  Gewichtshilfen ein. So wird z.B. in Wendungen über die Blickrichtung die Rotation von Kopf und Rumpf initiierte, wodurch bereits eine veränderte Gewichtsverteilung über den Reitersitz auf das Pferd übertragen wird. Als weiterlaufende Bewegung folgt die Schenkellage dem Sitz. Das äußere Bein gleitet automatisch hinter den Gurt. Ebenso automatisch folgt die Zügelführung der Rotation des Oberkörpers. Alles ergibt sich wie von selbst und ergänzt sich.

Störung der Gewichtshilfen durch Herunterschauen:

Ein Fehler den man leider überall sieht, egal ob Anfänger oder weit fortgeschrittener Turnierreiter. Selbst bei absoluten Spitzenreitern findet man das Herunterschauen auf das Pferd oder auf den Boden. Das wirkt sich störend auf das Gleichgewicht aus, da die Blickführung eine entsprechende  Muskelspannung und negative Gewichtsverteilung auf das Pferd überträgt, wenn die Blickrichtung nicht bewusst eingesetzt wird.

Die gezielt eingesetzte Blickführung nach vorne unten, die den Entlastungssitz einleitet, hilft dem Pferd beim Vorwärts-Abwärts nach vorne zu gehen, den Hals fallen zu lassen und den Rücken aufzuwölben.

Durch den Blick horizontal nach vorne, wird der Oberkörper natürlich aufgerichtet und das Gewicht wird gleichmäßig auf die Gesäßknochen verteilt.

Durch den leicht erhobenen Blick und der damit verbundenen Gewichtsverteilung etwas mehr auf die Hinterhand des Pferdes, kann die Versammlungsfähigkeit ohne großen Einsatz von Zügel und Schenkel gefördert werden. Dies führt zu einer relativen Aufrichtung und  verhindert eine durch die Hand erzwungene Aufrichtung.

Galoppieren auf der Welle

Ein einseitiges Innensitzen wie es üblicherweise gelehrt wird, ist irreführend für Mensch und Pferd. Vielmehr muss der Reiter beim Einspringen des äußeren Hinterbeins in den Galopp sein Gewicht leicht nach hinten außen bringen. Dadurch wird die innere Seite des Pferdes frei für den Galoppsprung. Die zentrale Galopphilfe schließt das Pferd mit den diagonal liegenden Schenkeln impulsartig ein. Der Reiter „ hebt“ durch Anspannen der Gesäßmuskulatur das Pferd in den Galopp. Es wird dem Pferd praktisch Raum gegeben nach vorne oben in den Reitersitz hinein zu springen. Mit dem Ende des Galoppsprungs fußt das innere Vorderbein auf  und der Reiter belastet seinen inneren Gesäßknochen etwas mehr. Die Zügelführung muss dabei den Sprung beidseitig  herauslassen.  Der Reiter begleitet den Galoppsprung wie ein Wellenreiter von hinten unten nach oben und nach vorne unten. Passt  sich der Reiter der Pferdebewegung an, kommt es zu einer fast unmerklichen Gleichgewichtsreaktion von hinten außen, diagonal nach vorne innen. Wer so in die Bewegung des Pferdes eingehen kann, ist auch in der Lage am Sitz über den Rücken des Pferdes fliegende Wechsel zu reiten.

Seitengänge  

In den Seitengängen verhält es sich ähnlich. Auch hier kann die einseitige Gewichtshilfe innen, wie sie gebetsmühlenartig gepriesen wird, keine Hilfe sein. Die Seitengänge werden aktiv in die Bewegungsrichtung geritten, auch im Schulterherein. Zum Beispiel in der Traversale wechselt das Reitergewicht dynamisch vom äußeren Gesäßknochen, dabei wird das innere Vorderbein frei sich ungehindert zu bewegen, zum inneren Gesäßknochen. Das äußere Vorderbein wird dadurch frei, sich zu bewegen. Auch hier haben wir eine diagonale Gewichtsverteilung, nur deutlicher als im Galopp, von hinten außen nach vorne innen. Ausnahme ist das Schulterherein, da die Biegung nicht der Bewegungsrichtung entspricht, haben wir hier eine dynamische Gewichtshilfe von hinten innen nach vorne außen. Die Blickrichtung folgt hier der Biegung des Pferdes.

Über die Autorin:

Brigitte lenz

Ist staatlich anerkannte Physiotherapeutin und Pferdeosteopathin, Trainerin  FN Leistungssport, aktive Dressurreiterin,  Autorin und sie begründete das IntegraLenz®- Balance Konzept (I.B.K) Ihr besonderer  Fokus liegt auf dem Reiter und auf einer unsichtbaren Hilfengebung. In ihrer Praxis (u.a. Schiefentherapie des Reiters) und bei der Schulung auf dem Pferd, hat sie sich  die Vermittlung einer feinen Hilfengebung durch das Reiten im dynamischen Gleichgewicht zur Aufgabe gemacht. Sie schult Reiter,  Ausbilder und Trainer im Freizeit- und  im ambitionierten Leistungssportbereich. Sie vermittelt ihr Wissen in Einzelarbeit, Seminaren, Workshops, sowie auf Fachveranstaltungen und bildet Reiter und Pferde nach ganzheitlichen und funktionellen Grundsätzen aus.

Weitere Informationen: www.integraLenz-reitcoaching.de


 

Buchtipp

Das Pferd als Spiegel seines Reiters

In dem Buch „Das Pferd als Spiegel des Reiter“ vermittelt Brigitte Lenz wie Reiter jeden Niveaus, mit Pferden jeder Rasse von der Basisarbeit bis zu Grand-Prix Lektionen zu einer feineren Kommunikation und zu mehr Erfüllung in der Arbeit mit dem Pferd kommen können.

Viele differenziert erklärte Übungsreihen, Bildtafeln und Selbsttests und die gut und einfach zu lesenden Texte machen das Buch für Anfänger und Fortgeschrittene sehr interessant.

 

Gebundene Ausgabe: 485 Seiten

Olms Verlag (1. März 2013)

ISBN-10: 3487085216

ISBN-13: 978-3487085210

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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