Grundlagen des Reitens

26. Februar 2018

Ausbildung | Stephanie Sieckmann 

Erst die Pflicht, dann die Kür

Um die Grundlagenarbeit kommt de facto kein Reiter herum. Denn erst wenn die Grundlagen beherrscht werden, lassen sich Lektionen sauber reiten oder ein Pferd schulen. Doch auch die Motivation des Reitschülers zu erhalten, ist Aufgabe des Reitlehrers. Oft geraten Reitlehrer hier in eine Zwickmühle.

Ausbilder haben es heute nicht leicht. Die Anforderungen, die an sie gestellt werden, sind um ein Vielfaches komplexer, als es noch vor dreißig Jahren war. Der moderne Reitschüler verbringt weitaus mehr Zeit im Sitzen, als es früher üblich war. Damit verbunden ist ein vergleichsweise untrainierter physischer Zustand, der auch einen Verlust an Bewegungsgefühl mit sich bringt. Das jedoch ist unverzichtbar beim Reiten. Zudem ist der Druck in der Arbeitswelt heute so hoch, dass viele Menschen – bewusst oder unbewusst – ständig eine gewisse Anspannung in sich tragen, was die Arbeit mit dem Pferd erschwert. Die Folge ist: Der Reitlehrer muss in der kurzen Unterrichtsstunde helfen Spannungen abzubauen, den Reiter in der Körperwahrnehmung schulen und gleichzeitig seine reiterlichen Fertigkeiten verfeinern – die eigentliche Aufgabe. Eine Entwicklung hin zum perfekt sitzenden und einwirkenden Reiter ist unter diesen Voraussetzungen auf keinen Fall in Siebenmeilenstiefeln zu erreichen.

Große Ziele

Damit sind wir beim Thema Zeit. Die hat heute so gut wie niemand mehr und deshalb streben Reitschüler auch weg von der Longe und raus ins Gelände. Oder weg von den Schlangenlinien und hin zur Pirouette. Wie viel Zeit eine fundierte reiterliche Ausbildung eigentlich benötigt, weiß heute kaum ein Reitschüler realistisch einzuschätzen. Eine Vorstellung davon hat trotzdem jeder. Ziele müssen erreichbar sein, und die Ziele sind einfacher in gerittenen Lektionen anzustreben als in erfühlten Glücksmomenten, wenn der Reiter erstmals für den Bruchteil einer Minute perfekt in der Bewegung gesessen hat und diese unvergleichliche Harmonie spüren durfte.

Die Entwicklung hin zum Breitensport hat zudem viele Menschen zum Pferd gebracht, die Reiten als interessantes Hobby betrachten, denen aber die wirkliche Passion fehlt. Doch nur wer wirklich Leidenschaft für die Kunst des Reitens fühlt, eignet sich Wissen über die Hintergründe an, nimmt sich Zeit und arbeitet an Details. Beim Reiten sind es aber gerade die kleinen Details, die den großen Unterschied ausmachen. Details wie fein gerittene Übergänge, ein ausbalancierter zügelunabhängiger Sitz, punktgenaue Linienführungen und klare Hilfen, die kaum sichtbar sind.

Wenig Zeit

Die Erwartungen an die reiterliche Entwicklung sind derweil bei vielen Reitschülern hoch. Das teure Freizeitvergnügen, als Kompensation für den stressigen Beruf, soll eine Menge leisten. Erfolgserlebnisse gehören fest dazu. Beliebte Highlights sind oft Lektionen, die als schwer gelten wie Piaffe und Passage, fliegende Wechsel oder Traversalen. Ohne die Erarbeitung der Grundlagen macht es aber einfach keinen Sinn mit dem Reiten von Lektionen zu beginnen. Erfolgserlebnisse jedoch benötigt der Reitschüler von heute dringend für den Erhalt seiner Motivation, da sein Alltag anspruchsvoll ist. Ohne Freude am Reiten, ohne den Traum von der Passage fehlt manches Mal der Anreiz durchzuhalten, wenn es um die unermüdliche Arbeit an den Grundlagen geht.

Schwierige Entscheidung

Der Ausbilder findet sich an dieser Stelle in einem Dilemma. Die Frage ist: Hartnäckig das Basis-Programm durchziehen und riskieren, dass die Reitschüler zur Konkurrenz abwandern, bei der sie schneller Lektionen reiten dürfen? Oder die eine oder andere Lektion erlauben – vielleicht sogar auf einem gut geschulten Pferd – um einen Anreiz für das intensive Training der Grundlagen zu schaffen? Dann riskiert der Trainer, dass der Schüler meint, er habe ein neues Niveau erreicht und brauche keine Sitzschulung mehr.

Das Verständnis für den Reitschüler, der trotz immenser vielseitiger Anforderungen des Alltags beim Reiten sein Glück finden möchte, stellt für den Reitausbilder heute eine ganz besondere Herausforderung dar. Wir haben einige Meinungen zu diesem Problem zusammengestellt.

Stephanie Sieckmann

Text aus dem Printmagazin Hofreitschule

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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