Auswirkung von Gebissen und Zügeln auf die Atmung von Pferden

2. Oktober 2017

Gesundheit | Rebecca

In den letzten Jahren wurde wiederholt über die Einwirkung von Nasen- und Sperriemen auf die Atmung von Pferden diskutiert.

Die Wissenschaftler David J. Mellor und Ngaio J. Beausoleil vom Zentrum für Tierwohl-Forschung und Biotethik der Massey University in Neuseeland haben im Mai 2017 eine Analyse und Zusammenfassung des aktuellen Foschungsstandes zu diesem Thema veröffentlicht. In ihrer Meta-Studie „Equine Welfare during Exercise: An Evaluation of Breathing, Breathlessness and Bridles“ befassen sie sich auch mit der ebenso wichtigen Frage nach dem Einfluss von Gebiss und Zügel auf die Atmung des Pferdes in der Arbeit.

Die beiden Experten studierten 164 wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema und kamen zu dem höchst beunruhigenden Ergebnis, dass Gebisse und Zügel nicht nur den Atemmechanismus eines Pferdes behindern können, sondern sogar bis zur Atemlosigkeit führen und somit das Wohlbefinden des Pferdes deutlich beeinträchtigen können.

Pferde atmen ausschließlich durch die Nase. Um in der Bewegung eine bestmögliche Sauerstoffzufuhr zu sichern, halten sie das Maul geschlossen und versiegeln es mit den Lippen. Dadurch wird das Eindringen von Luft in den Mundraum verhindert und es entsteht ein Unterdruck im Maul, der das Gaumensegel an die Zungenwurzel drückt und eine ungehinderte Atmung ermöglicht. Es benötigt nicht viel Fantasie sich vorzustellen, dass das Gebiss diesen Mechanismus geradezu aushebelt.

Dr. W. Robert Cook konnte im Jahr 1999 mit einer Untersuchung belegen, dass die durch ein Gebiss hervorgerufene Durchbrechung des Unterdrucks im Pferdemaul zu einer Instabilität des Gaumensegels und somit zu einem erhöhten Widerstand des Luftstroms führt, welcher wiederum die freie Atmung des Pferdes behindert.

Weitere Nachforschungen ergaben eine hohe Sensibilität des Pferdemauls gegenüber mechanischer Stimulation, wie sie durch das Gebiss erfolgt. Belegt wurde dieses Ergenis durch die Dokumentation anatomischer Veränderungen in den Mäulern der untersuchten Pferde, hervorgerufen durch langfristige, schmerzhafte Verletzungen aufgrund unsachgemäßer Verwendung von Gebissen. Denn bereits eine einfache Wassertrense kann bei unsachgemäßem Gebrauch einem Pferd erhebliche Schmerzen zufügen.

Auch heute noch glauben viele Reiter ihre Pferde über ein Gebiss kontrollieren zu müssen. Unwissen und Ignoranz oder gar bewusster Missbrauch von Gebissen zur erzwungenen Beizäumung des Pferdes führen dazu, dass immer mehr Wissenschaftler den Gebrauch der selbigen als inhuman und tierquälerisch qualifizieren und sich unter bestimmten Voraussetzungen sogar für eine gesetzliche Ahndung aussprechen.

Die Wissenschaftler fanden überdis heraus, dass auch die Zügeleinwirkung das Atmungssystem beeinträchtigen kann. Nämlich dann, wenn das Pferd an oder hinter der Senkrechten geht. Diese Haltung erfordert einen Kopf-Hals-Winkel bzw. Kehlwinkel, der soweit reduziert ist, dass die Funktion des Nasenrachenraums und des Kehlkopfes teilweise eingeschränkt wird. Es entsteht eine Verringerung des Luftstroms in den oberen Atemwegen sowie ein erhöhter Luftstrom-Widerstand. Gerade bei galoppierenden Pferden müsste sich der Kehlwinkel aber erweitern um eine optimale Sauerstoffzufuhr zu ermöglichen.

Noch extremer zeigten sich die Ergebnisse im Fall der Hyperflexion, im Volksmund Rollkur genannt. Die Kehlkopföffnung wird hier derart eingeschränkt, dass der Luftstromwiderstand überproportional ansteigt und dauerhaft zu zahlreichen Erkrankungen der oberen Atemwege führen kann.

Die durch Gebiss und Zügel hervorgerufene Beeinträchtigung der Atmung kann jedoch noch viel weitreichendere gesundheitliche Konsequenzen haben:

Die Forscher stellten fest, dass sich Druckveränderungen in den oberen Atemwegen häufig in den unteren Atemwegen fortsetzen. Krankhafte Veränderungen der Lungenbläschen und eine Beeinträchtigung des Atemgasaustauschs können die Folgen sein. Des Weiteren wurde bei gesunden Pferden nach großen Anstrengungen häufig ein verringertes Atemminutenvolumen, ein verringerter Sauerstoffgehalt (Hypoxämie) sowie ein erhöhter Kohlendioxidgehalt im Blut (Hyperkapnie) und einer Übersäuerung des Blutes (Azidose) beobachtet. Dieses Missverhältnis zwischen einem erhöhtem Atemluftbedarf einerseits und einer verringerten Leistungsfähigkeit des Atmungssystems andererseits kann zu der so genannten Atemlosigkeit führen, wobei man unter „unangenehmer Atemanstrengung“, „Atemnot“ und „Brustenge“ unterscheidet.

In Anbetracht dieser erschreckenden Erkenntnisse kommt zwangsläufig die Frage auf, ob gebisslose Zäumungen die beschriebenen negativen gesundheitlichen Auswirkungen vermeiden könnten. Ein endgültiges wissenschaftliches Ergebnis dafür steht jedoch noch aus, weshalb die Experten David J. Mellor und Ngaio J. Beausoleil sich für weitere Studien aussprechen, um möglichen Vorteile von gebisslosen Zäumungen zu bestätigen oder anderweitig zu unterstützen.

Es wäre allerdings schon viel gewonnen, wenn das Bewusstsein für einen sachgemäßen Umgang mit Gebiss und Zügeln weiter geschärft und der unsachgemäße Umgang mit selbigen deutlich geahndet würde.

Die unterschiedliche Kopf-Hals-Positionen haben einen erhebliche Auswirkung auf die Atmung des Pferdes. Bei kurzer Zügelführung ist der Kehlwinkel am kleinsten. Dadurch verengt sich die Querschnittsfläche des Nasenraums, was zu einer deutlichen Erhöhung des Luftstrom-Widerstandes führt.

 

Quelle: Animals

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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