Pferdehaltung im Landgestüt Dillenburg kein Grund für Schließung
9. Juli 2017
09.07.2017 | PR | News
In dieser Woche wurde bekannt, dass die hessische Landesregierung das Landgestüt Dillenburg nicht weiter unterstützen wird. Die 400 Jahre alte Traditionsanlage steht damit vor dem Aus. In ihrer Begründung stellt Umweltministerin Priska Hinz unter anderem das Wohl der Pferde in Frage. Die Schließung des Gestüts hätte nicht nur negative Folgen für die Pferdezucht in Hessen.
Gemeinsame Erklärung von
Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN)
Pferdesportverband Hessen e.V.
Verband der Pony- und Pferdezüchter Hessen e.V.
Bundesvereinigung der Berufsreiter im DRFV e.V.
Hannoveraner Verband e.V.
Verband der Züchter und Freunde des Ostpreußischen Warmblutpferdes Trakehner Abstammung e.V.
Friesenpferde-Zuchtverband e.V.
Verband der Züchter und Freunde des Arabischen Pferdes e.V.
Zuchtverband für Sportpferde Arabischer Abstammung (ZSAA) e.V.
zur Schließung des Landgestüts Dillenburg 7. Juli 2017
Pferdehaltung im Landgestüt kein Grund für Schließung
„Pferde sind große Tiere, sie brauchen Platz und haben das Recht auf mehrstündigen freien Auslauf auf der Weide“, sagte die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) und berief sich dabei auf die „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Doch was sagen die Leitlinien tatsächlich? In Kapitel 2 heißt es: Pferde haben den Bedarf nach täglich mehrstündiger Bewegung. Kontrollierte Bewegung beinhaltet nicht die gleichen Bewegungsmuster wie freie Bewegung. Daher kann kontrollierte Bewegung die freie Bewegung nicht vollständig ersetzen.
„Mehrstündige Bewegung täglich bedeutet für Pferde, die nicht geritten oder trainiert werden, wie zum Beispiel Zuchtstuten, Fohlen, Jungpferde oder alte Pferde, ausschließlich freie Bewegung. Für alle Pferde, die täglich kontrolliert bewegt, also entweder geritten werden, in der Führmaschine oder auf dem Laufband gehen, soll die freie Bewegung zusätzlich angeboten werden. Dann kann das Pferd sich wälzen, frei bewegen, sich austoben oder einfach herumstehen“, erläutert Agrarwissenschaftlerin Dr. Christiane Müller, Tierschutzbeauftrage und Präsidiumsmitglied der FN sowie öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Pferdehaltung, -zucht und -sport. „Wichtig ist, dem Pferd einmal am Tag die Möglichkeit zu geben, selbst die Gangart und Intensität der Bewegung zu bestimmen. Wenn dieses Angebot nach der kontrollierten Bewegung und ganzjährig täglich besteht, gewöhnt sich jedes Pferd schnell daran und die Verletzungsgefahr wird minimiert. Das Pferd wird entspannt und gelassen, auch beim Training. Da Weideflächen nicht immer und nur selten im Winterhalbjahr zur Verfügung stehen, sind wetterfeste Ausläufe oder das Freilaufen in der Reithalle eine gute Alternative. Die Aussage der Ministerin, dass freie Bewegung nur auf der Weide gewährleistet werden kann, ist demnach unzutreffend. Die Praxis zeigt seit vielen Jahren gute Beispiele für Bewegungsausläufe, die auch in städtischen Pferdeställen umsetzbar sind.“
Laut dem Förderverein Hessisches Landgestüt Dillenburg werden die Vorgaben der Leitlinien auf der Anlage erfüllt. „Rund um das Landgestüt stehen leider keine Flächen für Koppeln zur Verfügung. Jedoch werden die Pferde täglich geritten oder gefahren, gehen in die Führanlage und dürfen zusätzlich in der Reithalle frei laufen. Auf kleinen Paddocks haben sie auch die Möglichkeit sich zu wälzen, haben Sozialkontakt und sind den Klimareizen wie Sonne, Wind oder Regen ausgesetzt. Gerne nimmt das Landgestüt auch das Angebot der Stadt Dillenburg an, den angrenzenden Hofgarten in weitere Auslauffläche umzugestalten. Sollte es tatsächlich etwas an der Anlage zu bemängeln geben, das verändert werden kann, muss auch die Chance eingeräumt werden, diese Veränderungen vorzunehmen.“
Erst kürzlich veröffentlichte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) die nationale Nutztierstrategie. Darin enthalten ist erstmals eine klare Definition des Begriffs Tierwohl. Dabei geht es um Gesundheit, Verhalten und Emotionen. Angst, Schmerz und Stress für die Tiere müssen vermieden werden, so besagt es auch das Tierschutzgesetz. Dies ist auch die Grundlage für die tägliche Arbeit auf dem Landgestüt Dillenburg sowie in der Hessischen Reit- und Fahrschule. „Die Pferde werden gut gehalten, sind gesund und zeigen ein normales Verhalten, sie haben weder Angst noch Stress“, heißt es von Seiten des Fördervereins.
Touristenattraktion, Kulturgut, Wirtschaftsfaktor, Lebensraum
Das 1869 gegründete Landgestüt Dillenburg, dessen Geschichte sich bis ins 16. Jahrhundert nachverfolgen lässt, umfasst heute nicht nur die zum Teil denkmalgeschützten Stallgebäude, Reithallen, den Paradeplatz und das Kutschenmuseum in der historischen Orangerie, sondern seit 1929 auch noch die FN-zertifizierte Hessische Reit- und Fahrschule. Dort werden traditionell Reiter, Fahrer und Pferde, Trainer und Pferdewirte ausgebildet. Darüber hinaus bietet das Landgestüt auch Personen aus dem städtischen Umfeld die Möglichkeit, das Pferd hautnah erleben zu können. Jedes Jahr nutzen in der Landes Reit- und Fahrschule mehr als 50 Kinder und Jugendliche das Angebot „Reiten als Schulsport“. Wie auch eine FN-Studie belegt, fördert der Umgang mit dem Pferd die charakterliche, soziale und körperliche Entwicklung – nicht nur von Kindern und Jugendlichen. Außerdem sind Pferdesport und -zucht ein bedeutender Wirtschaftsfaktor – der Umsatz der deutschen Pferdewirtschaft liegt bei geschätzten 6,7 Milliarden Euro. Die Hengstparaden des Landgestüts Dillenburg locken immer wieder Tausende Besucher an. Und auch die Anlage selbst ist Ausflugsziel vieler Touristen. Der Prinzensaal wird zudem als Standesamt und für Tagungen genutzt.
Seit Jahrtausenden sind Pferde im höchsten Maße an der Entwicklung des Menschen und dem kulturellen und wirtschaftlichen Fortschritt beteiligt. Deshalb gilt es, dieses Erbe zu bewahren. Die kulturhistorische Gestütanlage ist stadtbildprägend und bewahrt eine jahrhundertelange Tradition und den Flair einer vergangenen Zeit. Nicht nur für Pferde sind Reitanlagen wie das Landgestüt ein Lebensraum, sie können es auch für andere schützenswerte Tierarten wie Schwalben und andere Vögel, Insekten, Eidechsen und kleine Säugetiere, zum Beispiel Fledermäuse sein. Die Schließung des Gestüts und die anschließende ungewisse Zukunft könnten auch den Lebensraum dieser Tiere gefährden.
Inzwischen wurde eine Online-Petition gestartet, die den Erhalt des Landgestüts Dillenburg fordert. Es gibt bereits mehr als 9000 Unterstützer. Hier können Sie sich auch an der Petition beteiligen.
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