Freiberger
18. April 2017
Barockpferde | SK | 28.04.2017
Jedes Jahr am zweiten Wochenende im August treffen sich in Saignelégier im Schweizer Kanton Jura Liebhaber des Freibergers zum Marché-Concours National de chevaux. Bei der seit 1897 stattfindenden Schau zeigen die Reiter auf Ihren Freiberger Pferden, was in Ihnen steckt. Wagenrennen mit römischen Streitwagen, mit zwei oder vier Pferden, oder Pferderennen, bei denen die jungen Reiter ohne Sattel und Steigbügel über die Bahn donnern. Immer im Mittelpunkt steht dabei das Freiberger Pferd, auch bekannt unter dem Kürzel FM, welches das Hochplateau der Freiberge (Franches-Montagnes) bezeichnet. Mehrere zehntausend Zuschauer lassen sich dieses Spektakel rund um diese fast vergessene Pferderasse, die im Wandel der Zeit immer wieder neue Liebhaber fand, nicht entgehen.
Zwischen Militär und Arbeitspferd
Der Name Freiberger wurde erstmals 1898 in einem Buch des ungarischen Tierarztes Josef Marek schriftlich erwähnt. Doch die letzte ursprüngliche Schweizer Pferderasse lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Während der Burgunder-Kriege von 1474 bis 1477 fielen den Bauern im westschweizerischen Kampfgebiet zahlreiche Pferde in die Hände. Insbesondere Kaltblüter vom Typ der Ardenner und Comtois begründeten daraufhin die Zucht eines Arbeits- und Kavalleriepferdes. Verschiedene Schläge, wie der Seeländer, Prätigauer, Entlebucher, Oberländer oder auch das Einsiedelner Pferd prägten sich aus und erfreuten sich großer Beliebtheit. Im 17. Jahrhundert stieg die Nachfrage nach dem Jura-Pferd im Ausland immens und 1705 folgte ein Gesetz zur Förderung der Zucht. Alleine 1714 kaufte der Hauptabnehmer Frankreich zehntausend Remonten für die Armee des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. Doch das Interesse der Franzosen sank und sie setzten mehr und mehr Pferde aus der eigenen Zucht ein. Die geringe Nachfrage führte in der Schweiz zu einer sinkenden Qualität der Zucht, die ohnehin schon während der Napoleonischen Kriege und dem damit verbundenen Ausraube des Gestütes Einsiedeln starke Rückschläge verkraften musste. Um Nachschub für das eigene Militär zu gewährleisten, gründete die Schweizer Regierung 1864 eine Fachkommission zum Erhalt des Pferdes. Durch die staatlichen Vorgaben, die sich primär an den Bedürfnissen des Militärs orientierten, entstand in den folgenden Jahrzehnten ein leichterer Typ, der als Reit-, Post- oder Wagenpferd diente. Der 1891 in Saignelégier gezogene Stammvater „Vaillant“ geht aus diesen Bemühungen hervor. Auch heute lässt sich der Stammbaum von 70 Prozent aller Freiberger auf diesen Vererber zurückverfolgen. Weitere 25 Prozent der heutigen Pferde gehen auf den 1886 in Frankreich geborenen „Imprévue“ zurück. Der Angelo-Normanne kam 1889 in die Schweiz und überzeugte in der Anpaarung mit Jura-Stuten. Doch der durch das Militär geprägte, und durch den Ankauf von Hackneys, Angelo-Normannen und Volblütern gezogenen Typus, entsprach nicht den Bedürfnissen der Schweizer Bauern. Sie brauchten ein kompaktes Arbeitstier und so importierten sie entgegen behördlicher Anordnungen Ardenner, Comtois, Bretonen, Percherons und sogar Shire Horses. Die grundsätzlich verschiedenen Vorstellungen der Bauern und des Militärs führten zur Aufteilung der Zucht in zwei gleichberechtigte Kategorien im Jahr 1904: Das „Zugpferd mit Masse und Gang“ oder das „Artillerie und Kavalleriepferd“. Für Züchter galt es sich einer dieser Kategorien zu verschreiben und eigenständig zu organisieren. Lediglich die besten Hengste schafften es in das 1899 gegründete Hengst- und Fohlendepot in Avenches, dem heutigen Schweizer Nationalgestüt. Die reine Züchtung des Freibergers in der stämmigen, robusten und mittelschweren Art begründete sich 1910. Im Jahr 1921 wurde daraufhin das Stammzuchtbuch für das Zugpferd, das Ursprungszuchtbuch der Freiberger eröffnet.
Nach dem zweiten Weltkrieg führte die Mechanisierung der Landwirtschaft jedoch zu einem starken Rückgang der Freiberger und die Rasse musste sich den neuen Bedürfnissen als Sportpferd anpassen. Veredelungen mit dem Angelo-Normannen „Urban“, dem Schwedenhengst „Aladin“ mit Trakehner-Abstammung und den Vollblutarabern „Shagya“, „Shagya l“ und „Doktryner“ führten zu einem mittelschweren bis leichtem Typ. Der 1965 aus einer Kreuzung einer Freiberger Stute mit „Aladin“ gezogenen „Alsacien“ repräsentiert den heutigen modernen, eleganten Freibergertyp, der das Zuchtziel als Freizeitpferd mit Eignung zum Fahr- und Reitsport erfüllt.
Rassemerkmale und Körperbau
Der Freiberger zeichnet sich durch seine Charakterstärke aus. Er vereint ein ruhiges und freundliches Wesen mit Leistungsbereitschaft und Vielseitigkeit. Daher eignet er sich als zuverlässiger Partner für Reitanfänger und meistert herausfordernde Situationen oftmals mit einer großen Portion Gelassenheit. Trotz einem Stockmaß von 1,50m bis 1,60 m bei einem Körpergewicht von 450 bis 600 Kilogramm gilt er als leichtfüßig, trittsicher und gut ausbalanciert. Die Gänge sollten taktsicher, elastisch und raumgreifend sein.
Abgesehen von einer korrekten Stellung der Gliedmaßen, zeichnet sich der Freiberger durch einen ausgeprägten Widerrist, eine schräge Schulter, breite und tiefe Brust und einen bemuskelten, tragfähigen Rücken aus. Sowohl ein großes, tief angesetztes Fundament mit korrekten Gelenken als auch mittellange Fesseln und wohlgeformte Hufe entsprechen dem gewünschten Körperbau des Freibergers. Der Hals sollte gut aufgesetzt und mit genügend Ganaschenfreiheit versehen sein, die Kruppe leicht geneigt und der Rumpf harmonisch aufgeteilt. Der Freiberger gilt als robust mit guter Gesundheit und einem hohen Regenerationsvermögen.
Die Zuchtverbände und der Erhalt des Freiberger Pferdes
Im Nationalgestüt Avenches liegt das Ausbildungs- und Kompetenzzentrum der Freiberger Zucht. Auf der Hengststation steht circa ein Drittel aller Freiberger Zuchthengste. Der Schweizerische Freibergerverband (SFV) vertritt alle Zuchtrichtungen des Freibergers und führt ein Herdebuch mit entsprechenden Kategorien. Ziel ist die Zucht eines Freizeit- und Familienpferdes mit Eignung zum Reit- und Fahrpferd. Doch die Zuchtrichtungen der einzelnen Verbände variieren.
Das Freiberger Pferd wurde in seiner wechselhaften Geschichte immer wieder mit anderen Rassen gekreuzt. Durch die Umstellungen in der Landwirtschaft in den 50iger bis 70iger Jahren fiel der Entschluss den Fokus auf die Zucht eines Freizeitpferdes zu legen. Doch die damit verbundene Einkreuzung von Warmblütern fand nicht bei allen Züchtern Anklang. Die Interessengemeinschaft des Original Freiberger Pferdes (IG-OFM) gründete sich. Bis heute ist sie kein Zuchtverband, doch engagiert sich für den Erhalt des Original Freiberger Pferdes. Alle ab 1950 eingesetzten Warmblut- und Vollbluthengste gelten laut der Definition der IG-OFM als Fremdhengste. Um sich Original Freiberger Pferd zu nennen, darf der Fremdblutanteil des Pferdes maximal zwei Prozent betragen.
1997 entschloss sich dann auch der Schweizerische Freibergerverband (SFV) zur Schließung des Herdebuchs und somit durften ab 1998 keine Fremdhengste mehr zum Einsatz kommen. Der SFV übernahm in der Kategorie Basispferd die Regelung der maximal zwei Prozent Fremdblutanteil und schuf zusätzlich die Kategorie Faktor-Basis, die einen Fremdblutanteil von zwei bis vier Prozent erlaubt.
Dem Eidgenössischen Verband des reinrassigen Freibergerpferdes (RRFB) reichten diese Bemühungen nicht aus. Er legt sein Zuchtziel auf die Erhaltung des Urfreibergers. Somit ist in der Zucht der Sektion Urfreiberger kein Fremdblutanteil erlaubt. Diese Vorgabe erfüllen alle Pferde die vor dem 1. Januar 1950 geboren wurden.
Der Feldtest
Eine Besonderheit in der Freiberger Zucht ist der Feldtest. Dreijährige Pferde können hier ihre Leistung unter Beweis stellen und werden anschließend in verschiedenen Klassen und Kategorien eingeteilt. Die Aufteilung erfolgt nach Merkmalen wie Abstammung, Exterieur, Leistung und Verhalten. Besonders wichtig bei den Prüfungen: Es muss eine bestimmte Reihenfolge eingehalten werden. So beginnt der Feldtest mit einer Beurteilung des Exterieurs, es folgen das Fahren und Reiten. Der Verhaltenstest ist jedoch bei jeder Teilprüfung ein Bestandteil.
Das Foto zeigt Julia Thut auf ihrem Freiberger Emerito. Foto: Tinu Stähli
Julia Thut auf Freiberger-Wallach Emerito und Timo Küpfer. Foto: Dennis Mühlemann
Weitere Infos über die Freiberger:
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