Hamburger Derby: 125 Jahre Pulvermanns Grab
17. Mai 2024
Zum 93. Mal fand in diesem Jahr das Hamburger Derby statt und hat weit über 100 000 Besucher angezogen. Der berühmte „schwerste Parcours der Welt“ besteht bereits seit 1920. Das wohl bekannteste Hindernis „Pulvermanns Grab“ wurde schon vor 125 Jahren mit einem aufsehenerregenden Sturz aus der Taufe gehoben.
1919 baute Eduard Pulverman für das erste Turnier nach Ende des I. Weltkriegs in Travemünde einen Parcours. Eines der Hindernisse sollte einen tiefergelegten Graben zwischen zwei Weiden darstellen. Das Gelände ging von beiden Seiten herunter zum Graben. Schließlich wurden noch jeweils ein Rick als Ein- und als Aussprung hinzugefügt. Pulvermann ritt als Erster das Hindernis an. Sein Pferd stutzte und er fiel in den Graben. Worauf ein Freund laut rief: „Das ist Pulvermanns Grab“. Nach dem ein Reporter telefonisch an seine Redaktion in Hamburg weitergab es gäbe ein neues sehr schweres Hindernis, das „Pulvermanns Grab“ genannt werde, blieb es bei dem Namen.
1920 schuf Eduard Pulvermann bei Klein Flottbeck einen besonders anspruchsvollen 1250 Meter langen, der holsteinischen Landschaft nachempfundenen Parcours. Als 14. der insgesamt 17 Hindernisse war auch „Pulvermanns Grab“ vertreten. Pulvermann nahm mehrfach an der Konkurrenz teil, konnte die Prüfung trotz guter Platzierungen jedoch niemals gewinnen.
Erst 1933 gelang Harald Momm auf Baccarat der erste Sieg mit einem 0-Fehler Ritt. Im Jahr darauf siegte Irmgard von Opel auf Nanuk, die schon zwei Jahre zuvor als erste Frau am Spring-Derby teilgenommen hatte. Harald Momm war als Oberst der Wehrmacht in über 30 Nationenpreisen siegreich und übernahm ab 1936 die Leitung der Kavallerieschule Hannover.
In den zwanziger Jahren dominierten Militär-Reiter die Turnierszene und entsprechend die Siegerliste des Derbys. Eine ganze Reihe von ihnen schlossen sich schon vor der „Machtergreifung“ den Nationalsozialisten und deren Organisationen SA und SS an. Deren Reiter in den dreißiger Jahren die Turnierszene und das Derby beherrschten. So auch Carl-Friedrich von Langen, der drei Mal das Derby gewann. Er wurde bereits 1930 SA-Obersturmbannführer. Der Sitz der FN in Warendorf liegt in der Freiherr-von-Langen Straße. Das deutet darauf hin, dass die braune Vergangenheit der Reiter bis heute nicht aufgearbeitet wurde.
Schließlich fiel auch der hanseatische Kaufmann Eduard Pulvermann dem Nazi-Terror zu Opfer. Als Sohn christlicher Eltern und evangelisch-lutherisch erzogen, wurde er wegen eines jüdischen Großvaters zum „Halbjuden“ erklärt und ihm 1939 aufgrund privater Äußerungen in einem Brief an seinen in New York lebenden Vetter wegen „Heimtücke“ der Prozess gemacht, mit dem Ziel Pulvermann zum Verkauf seiner Firmen zu zwingen. Drei Jahre wird er in Fuhlsbüttel in „Schutzhaft“ gehalten und Ende 1943 in das KZ-Neuengamme eingeliefert, abgemagert und ausgehungert stirbt er im Haftkrankenhaus am 9. April 1944.
Seit über 100 Jahren wird das Hamburger Derby alljährlich ausgerichtet. Diese Tradition wurde nur von 1940 bis 1948 bedingt durch den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit sowie durch die Corona-Einschränkungen 2020 und 2021 unterbrochen. Einige Reiter konnten mehrfach das Blaue Band erringen. So siegte Fritz Thiedemann fünf Mal mit unterschiedlichen Pferden. Erfolgreichster Teilnehmer war der Brasilianer Nelson Pessoa der insgesamt sieben Mal das Blaue Band errang, davon drei Mal mit dem legendären Gran Geste und nach 24 Jahren in den Neunzigern drei Mal hintereinander mit Vivaldi. Dieser Hattrick gelang nur noch Toni Hassmann mit Collin.
Der jüngste Sieger, Marvin Jüngel, hat mit seiner 15-jährigen Oldenburger Stute Balou’s Erbin, bereits den Erfolg vom Vorjahr wiederholt und ist somit auf einem guten Weg zum Hattrick. Der Parcours wurde in seiner Länge – ungefähr das Dreifache eines Normalparcours – und der Anordnung der Hindernisse in all dieser Zeit nicht verändert. Allerdings wurden die Auflagen der Hindernisse abgeflacht, sodass Stangen leichter fallen können. Sowohl die beiden Irischen Wälle als auch der Große Wall wurden inzwischen ebenfalls leicht abgeflacht. Doch vor allem letzterer von über drei Metern Höhe in Verbindung mit dem dicht dahinter stehenden Steilsprung mit den weißen Planken bleibt eines der größten Herausforderungen für Pferde und Reiter.
Im vorigen Jahrhundert starteten die Teilnehmer noch mit ihren Championats-Pferden. Doch die Anforderungen im Springsport haben sich in den vergangenen Jahrzenten deutlich verändert, sodass für den Derby-Parcours konditionsstarke Spezialisten mit viel Mut und enormem Springvermögen benötigt werden. Unerlässlich ist ebenfalls ein großes Vertrauen in ihren Reiter oder ihre Amazone. Inzwischen werden viele Pferde im Training auf die Spezialhindernisse vorbereitet, indem beispielsweise die Wälle nachgebaut wurden. Die Ritte wirkten deshalb überwiegend harmonisch, ohne ständig starke Handweinwirkung oder gar den Gebrauch der Gerte. Barbara Schulte
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