James Fillis auf Germinal im rückwärts gerichteten Galopp / Foto: Louis-Jean Delton

Der Reiter formt sein Pferd: Weisheiten der alten Meister

15. Oktober 2025

In den Ställen der alten Reitkultur lag mehr als Technik: Es war eine Schule des Feingefühls, eine Disziplin, die Pferd und Reiter in eine harmonische Einheit verwandelt. Von den gotischen Hallen Europas bis zu den staubigen Arenen Zentralasiens flüstern die Lehren der Meister über Geduld, Timing und Respekt vor dem Tier.

Xenophon, einer der frühesten Theoretiker der Reitkunst, betont: „Beobachte zuerst das Pferd, und gib ihm dann den Befehl“ (sinngemäßes Verständnis aus den Schriften der Anabasis und Technik des Reitens). In der historischen Überlieferung wird diese Grundregel oft als Betonung von Beobachtung vor Aktion zitiert: Wer das Tier versteht, trifft die richtigen Entscheidungen.

Eine der grundlegendsten Weisheiten in der Reitkunst stammt aus de La Guérinière, dem Begründer der klassischen Dressur. Seine Maxime lautet: „Der Zweck des Zügels ist die Führung, nicht die Unterjochung.“ Die Betonung liegt auf feiner Zügelführung, Loslassen und Partnerschaft statt Gewalt oder Dominanz. In seinen Schriften wird die Zügelhand als Dialogmitte zwischen Reiter und Pferd dargestellt.

James Fillis, ein bedeutender Reitlehrer des 19. Jahrhunderts, fokussierte das Prinzip der Ruhe und Sicherheit: „The horse must feel that you are master, not that you are the master of fear.“ In deutscher Übersetzung kursieren Varianten, die seine Kernbotschaft widerspiegeln: Sicherheit und Ruhe geben dem Pferd Vertrauen, nicht Schrecken.

Moderne Trainer führen diese Linie fort: Klarheit der Absicht, ruhige Hand, konsistente Rituale. So beschreibt der heutige Dozent der Staatlichen Reitschule Berlin, Dr. Jonas Weber, die Verbindung von Tradition und Gegenwart: „Wir legen die Grundlagen so, dass das Pferd Sicherheit spürt. Wenn Harmonie entsteht, wird Training zur Begegnung statt zur Belastung.“

Der Reiterstab, einst Symbol der Macht, erscheint heute vielfach als Symbol für Partnerschaft. In den Worten der Meister wohnt eine zeitlose Botschaft: Geduld, Respekt und eine klare innere Haltung schaffen nicht nur Leistungsfähigkeit, sondern auch Würde.

 

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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