Federigo Griso,  Federigo Grisone 

Eines der 50 Gebisse aus Ordini di cavalcare / Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cannone_Grisone.jpg

Federigo Griso oder auch Federigo Grisone 

26. Oktober 2024

Federigo Grisone (* 1507; † 1570) war ein adeliger Reitmeister, der 1532 in Neapel eine der ersten bekannten Reitschulen für höfische Reitkunst gründete und damit die „italienische Schule“ ins Leben rief. Obwohl es im Italien der Renaissance sicherlich auch vor Grisone zahlreiche Reitakademien gab, ist über diese wenig dokumentiert. Angesichts des hohen Stellenwerts der Reitkunst zu dieser Zeit ist jedoch anzunehmen, dass sie auch an anderen Orten mit großer Präzision gelehrt und praktiziert wurde.

Das von Federigo Grisone gegründete Reitinstitut entwickelte sich rasch zur wohl einflussreichsten Reitschule seiner Zeit und erlangte weit über die Grenzen Neapels hinaus Bekanntheit. Grisone selbst wurde als Meister seiner Epoche angesehen, und seine Trainingsmethoden hatten einen erheblichen Einfluss auf die Ausbildung von Pferden während der Renaissance. Ein Schüler von ihm, Pasquale Caracciolo, bemerkte:

„Von Anfang an scheint es, dass jedes Pferd seinem Signal folgt, sodass die Zuschauer erstaunt sind.“ – La Gloria del Cavallo.

Federigo Grisone hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf viele seiner berühmten Schüler, darunter Giovanni Battista Pignatelli sowie Salomon de la Broue und Antoine de Pluvinel, die seine Lehren und Theorien auch nach Frankreich brachten. In Pasquale Caracciolos Buch La Gloria del Cavallo (1589) wird Grisone als Reiter beschrieben, dessen Pferde ihm bereits beim ersten Besteigen perfekt gehorchten. Dies beeindruckte die Umstehenden so sehr, dass sie seine Ratschläge suchten wie andere den Rat des delfischen Apollon.

Grisone verfasste das erste Buch über Reitkunst, das in der frühneuzeitlichen europäischen Literatur veröffentlicht wurde. Daher wird er oft als Begründer der „neuzeitlichen“ Reiterei bezeichnet – eine Ehre, die ihm aufgrund seines literarischen Schaffens zuteilwurde. Seine Reitlehre Ordini di Cavalcare erschien 1550 und ist jedoch keine Reitlehre im modernen Sinne. Vielmehr handelt es sich um eine umfassende und detaillierte Sammlung von Wissen über Pferde, Reitkunst, Zäumungen, Hufbeschlag und Pferdemedizin.

Vor 1500 gab es kaum schriftliche Quellen zur Reitkunst; die meisten Abhandlungen befassten sich mit Krankheiten und Heilmitteln. Nur wenige Werke enthielten rudimentäre Informationen über die Zähmung und Ausbildung von Pferden, meist ohne spezifische Anleitungen zur Reiterei. In der Zeit vor der Renaissance war das Interesse an der Beschreibung alltäglicher Dinge wie der Reitkunst gering. Mit dem Aufkommen der Renaissance änderte sich dies jedoch, und man begann, sich intensiver mit Literatur und enzyklopädischen Werken zu beschäftigen.

Grisone ließ sich auch von den Lehren des griechischen Reitmeisters Xenophon inspirieren, dessen Werke lange Zeit in Vergessenheit geraten waren. Er integrierte Xenophons Theorien in seine eigenen Lehren und entwickelte sie weiter. Grisone gilt somit als Verfasser des ersten ausführlichen Buches über die Reitkunst; er sieht sich jedoch eher als Beschreiber und Bewahrer des Wissens denn als Neuerer.

Sein Werk war ein Bestseller seiner Zeit: Zwischen 1550 und 1623 wurden einundzwanzig italienische Ausgaben gedruckt sowie zahlreiche Übersetzungen in andere Sprachen – fünfzehn auf Französisch, sieben auf Deutsch, eine auf Spanisch und sechs auf Englisch. Die früheste englische Ausgabe mit dem Titel The Arte of Ryding and Breakinge Greate Horses ist eine gekürzte Übersetzung von Thomas Blundeville, die auf Vorschlag von John Astley erstellt wurde. Diese enthält auch Drucke aus dem Original von 1560 und gilt als das erste Buch über Reitkunst in englischer Sprache.

Die rasche Verbreitung von Grisones Werk sowie die zahlreichen Nachdrucke belegen die große Bedeutung der Reitkunst für seine Zeitgenossen. Eine deutsche Übersetzung seines Werkes mit dem Titel Künstlicher Bericht und allerzierlichste Beschreibung wie die streitbarn Pferdt zum Ernst und ritterlicher Kurzweil geschickt und vollkommen zu machen erschien 1570 in Augsburg und fand ebenfalls weite Verbreitung.

Leider wurde die deutsche Übersetzung von Grisones Werk nicht eins zu eins entsprechend dem Original aufgebaut. Johann Fayser änderte die Reihenfolge der Kapitel, fügte eigene Texte hinzu und ließ eigens für diese Ausgabe Kupferstiche anfertigen. Fast zeitgleich mit Grisones Gli Ordini di Cavalcare erschien in Venedig Fiaschis Werk Trattato del Imbrigliare, Attegiare & Ferrare Cavalli. In kurzer Folge folgten weitere Werke mit ähnlichem Inhalt. Diese Publikationen sind nicht nur Vorläufer einer aufblühenden Reitkunst, sondern spiegeln den hohen Stand dieser Kunst um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Italien wider.

Die Tatsache, dass diese Werke in Hunderten von Exemplaren gedruckt und schnell in andere Sprachen übersetzt wurden, zeigt, dass es in ganz Europa einen vielversprechenden Markt für Reitkunst gab. Fiaschi versuchte zudem, eine enge Verbindung zwischen Reitkunst und Musik herzustellen. Er konnte zu seiner Zeit mit musikalisch gebildeten Lesern rechnen, die seine Notenbeispiele verstehen konnten.

 

Grisone wurde berüchtigt für die Gewalt gegen die Pferde

Das Werk Grisones ist leider über die Jahre ausschließlich auf die, durchaus nicht zu verschweigende, grausame und brutale Gewalt die den Pferden zugefügt werden “kann” und soll reduziert worden. Zitat:

„Wenn Dein Pferd stehenbleibt oder rückwärts geht, stelle einen Mann hinter ihm auf, der auf einen langen Stock eine böse Katze so gebunden hat, dass sie mit dem Bauch nah oben im freien Gebrauch ihrer Krallen und ihres Gebisses ist. Der Mann soll die Katze dicht an die Schenkel des ungehorsamen Pferdes halten, damit sie kratzen und beißen kann“.

Andere Beispiele seiner grausamen Methoden schließen lebende Igel unter dem Schwanz des Tieres ein, bestrafen ein Pferd indem man den Kopf des Pferdes unter Wasser, bis zu dem Punkt des Ertrinkens zwingen, wenn es sich zeigte jede Angst, Wasser zu überqueren.

Es sollte allerdings ebenfalls angemerkt werden, dass Grisone auch sagte, dass ein “Reiter mit guter Disziplin diese Dinge niemals benutzen wird, weil er die Wirkung ohne sie mit seiner eigenen Tugend und auf andere Weise erreichen wird.” Es darf auch nicht vergessen werden, dass man Grisones Werk im Lichte der Zeit sehen muss. 1542 wurde z.B. die römische Inquisition eingeleitet und deren bekanntestes Opfer “Galileo Galilei” wird erst rund 80 Jahre (!) nach Grisones Buch verurteilt.

Der Alltag der Menschen zu Grisones Zeit dürfte nicht nur für Pferde “kein Zuckerschlecken” gewesen sein. Manch Pferd dürfte besser behandelt worden sein, als viele Menschen. Abseits der expliziten “erwähnten” Gewalt vertritt Grisone einen Umgang mit dem Pferd, der durchaus als vernünftig zu bezeichnen ist.

An vielen Stellen empfiehlt er dem Reiter seinem Pferd “schön zu thun”, es also zu loben:

Auf dem allen sollt tu wissen/ das derjenige so ain Pferdt/ mit denen straffen/ die jedem irrtum insbesonders gebuern/ recht zu straffen weis/ und zu rechter Zeit seine hilff zu geben/ dieselbigen zu mehren oder zu mindren/ nach dem es die not und gelegenhait erfordert/ und im auch wais zu rechter zeit schön zu thun/ sich wol in dieser kunst einen berümten Reutter nennen mag.

Wer Grisone auf die Gewalt in seinem Buch reduziert, tut diesem Werk durchaus in vielerlei Hinsicht Unrecht, denn wie der folgende Auszug beweist, lag ihm das Wohl der Pferde durchaus am Herzen.

“Der Stall soll am tag wol gerainiget sein/ des nachts aber soll es haben eine gute Strew von gutem Stro oder grobem Hew bis zu seinen knien. Des morgens frue soll die strew widerumb auffgehebt/ und sein Rugken/ Schenkel/ und alle Glider wol und sauber gewischt werden. Zum ersten mit stro/ darnach mit einem Strigel. Und wann es gewonet/ soll man es darnach sanftiglich zu einen wasser fueren/ das es trink. Es ist im auch gar gut/ das es morgens und Abents gehalten werd in sueßem oder Meerwasser bis an seine Knie. Demnach soll das Pferd nit gan in sein stall/ bis seine Schenkel wol drucken worden seind. “

Und auch der Reitlehrer Grisone wusste durchaus um die Wichtigkeit des Mauls des Pferdes und dass dieses sorgsam zu behandeln ist:

„Wenn du ein übel erzogenes Pferd bekommst, so reite es mit viel Aufmerksamkeit und so, als ob du einen Vogel in der Hand hieltest.“

Leider muss man auch sagen, dass das Buch heute wegen seiner altertümlichen Sprache sehr schwer zu lesen ist. Mit Sicherheit auch ein Grund warum sich der schlechte Ruf Grisones in Bezug auf die Gewaltanwendung hält, denn die meisten Autoren von Büchern über die Geschichte der Reiterei werden selbst das Werk wohl gar nicht erst gelesen haben und besser von anderen Autoren deren Meinung übernommen haben. Dass das Werk durchaus anwendbare Anleitung zur Reitkunst enthält ist so eher nicht bekannt geworden.

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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