Salomon de la Broue

Salomon de la Broue / Abb.: Jean-Yves HAMAR

Die vollkommene Leichtigkeit des Pferdes beginnt schon im Maul

23. September 2024

Im Dressursport ist das Maul des Pferdes einer der sensibelsten und entscheidendsten Teile des Körpers, wenn es um die Kunst des feinen Reitens geht. Salomon de la Broue erkannte bereits im 16. Jahrhundert, dass

„die vollkommene Leichtigkeit des Pferdes schon im Maul beginnt“.

Diese Erkenntnis hat bis heute nichts an ihrer Gültigkeit verloren. Für Jean-Claude Racinet ist der lockere Kiefer das Kernstück des Reitens in Légèreté, denn eine entspannte Kieferbewegung ist der sicherste Beweis dafür, dass sich das Pferd im bestmöglichen Gleichgewicht befindet.

Leider haben viele Pferde gelernt, auf die „Anfragen“ der Reiterhände mit Verspannungen im Unterkiefer und Genick zu reagieren. Dies führt zu einer Verspannung des gesamten Körpers und macht eine entspannte Fortbewegung für Reiter und Pferd nahezu unmöglich. Oftmals empfinden Reiter ihre Pferde als „tonnenschwer“ auf den Zügeln, was sie dazu bringt, mit Kraftoppositionen zu reagieren. Dieser Kampf wird für viele zur Normalität, sodass sie ihre Anstrengungen in den Händen nicht mehr wahrnehmen und diese sogar fälschlicherweise als Zeichen für Anlehnung interpretieren.

Die Problematik der Lösungsphase

Die gängige Ausbildungsmethode versucht häufig, Anlehnungs- und Steifigkeitsprobleme ausschließlich „in der Bewegung“ zu lösen. In der sogenannten Lösungsphase soll das Pferd dazu gebracht werden, weniger fest im Maul zu sein und nicht „auf“ der Hand zu liegen. Doch viele Reiter erzielen dabei keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Oft fehlt es an einer klaren Vorstellung davon, wie sich ein gelöstes Pferd bewegen sollte. Stattdessen führen lange Trabeinheiten im Leichttraben oft nur zu Erschöpfung – sowohl beim Pferd als auch beim Reiter.

Die Richtlinien für das Reiten empfehlen eine Lösungsphase von 20 bis 30 Minuten, inklusive einer Schrittphase von zehn Minuten. Viele Pferde sind jedoch mit dieser langen Phase bereits am Rande ihrer Konzentrationsfähigkeit. Das Resultat sind ausgepowert wirkende Paare, die zwar glücklich erscheinen mögen, aber oft nicht die angestrebte Losgelassenheit erreichen.

Der Kerngedanke des feinen Reitens

Hier setzt das Konzept des feinen Reitens an:

Der Grundgedanke des „Reitens in Légèreté“ besteht darin, ein Pferd nur dann in Bewegung zu setzen, wenn alle negativen Spannungen zuvor beseitigt wurden. In jeder Gangart sollten die Pferde leicht in der Hand sein und sich selbst tragen können. Während die Versammlung ein nachgelagertes Ziel darstellt, wird beim Reiten in Légèreté bereits durch die Vorbereitung im Halt ein Grundmaß an Versammlung erzeugt.

Der Ursprung von Verspannungen liegt oft im Maul des Pferdes – genauer gesagt im Kiefergelenk. Ein nachgiebiges Unterkiefer signalisiert in der Regel Entspannung im gesamten Körper des Pferdes. Daher sollte der Reiter vor jeder Bewegung die Nachgiebigkeit im Unterkiefer überprüfen und erst dann das Pferd auffordern, sich in Schritt, Trab oder Galopp zu versetzen.

General Faverot de Kerbrech betont:

„Die komplette Entspanntheit des Kiefers hat die Flexibilität im Genick zur Folge.“

Ein entspanntes Maul führt somit automatisch zu einer korrekten Kopfhaltung ohne Zwang seitens des Reiters.

Die Suche nach Légèreté muss stets im Fokus des Reiters stehen – sowohl bei der Ausbildung als auch bei jeder einzelnen Einheit. Die Nachgiebigkeit im Kiefer ist nicht nur eine Voraussetzung für jede Bewegung des Pferdes; sie ist auch entscheidend für das Wohlbefinden und die Gesundheit des Tieres. Indem wir uns auf die Leichtigkeit im Maul konzentrieren und negative Spannungen beseitigen, schaffen wir die Grundlage für harmonisches und feines Reiten – eine Kunstform, die sowohl dem Pferd als auch dem Reiter Freude bereitet und sie näher zusammenbringt.

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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