Die Dillenburger Ramsnasen – hier ein zeitgenössischer Stich - waren im 16. und 17. Jahrhundert begehrte Parade- Reit- und Fahrpferde.

Das barocke Profil der Dillenburger Ramsnasen

3. September 2024

Seit die Menschen Wildtiere zu Haustieren machten, haben sie sowohl auf ihr Aussehen als auch auf ihr Verhalten durch gezielte Auswahl Einfluss genommen. Es gab stets besondere Merkmale, die sich zu bestimmten Zeiten großer Beliebtheit erfreuten.  Eines ist die konvexe Nasenlinie, die oft als Ramskopf oder Ramsnase bezeichnet wird.

Die letzten Eiszeiten führten zu einer Abgrenzung und Einschränkung der zuvor vielfältigen Wildpferdelandschaft und trennten die Urpferdgruppen voneinander. Eine der insgesamt vier großen, sowohl zeitlich als auch räumlich getrennten ursprünglichen Pferdegruppen waren die europäischen Wildpferde, deren Verbreitungsgebiet von Spanien über Großbritannien bis nach Skandinavien reichte.

Gerade die Pferde der iberische Halbinsel, die bis 10 000 v. Chr. noch mit dem Afrikanischen Kontinent verbunden war – konnten sich bis zu diesem Zeitpunkt mit Nordafrikanischen Urpferden mischen und so einen gemeinsamen Ur-Typ bilden. Beruhend auf rund 2500 Jahre alten Bronzeskulpturen Keltoiberischer Künstler die ramsköpfige Pferde zeigen, wird der Ursprung des ramsköpfigen Pferdes von etlichen Domestikationsforschern auf der iberischen Halbinsel verortet.

Im Barock war diese Kopfform sehr beliebt. Durch die Bevorzugung spanischer Pferde an den Fürstenhöfen fand sie den Einzug in viele europäische Zuchten. Auch wenn diese Kopfform bei modernen Sportpferden inzwischen  verpönt ist, ist sie bei einigen Pferderassen, die ihre altspanischen Gene teilweise bewahrt haben, noch anzutreffen. So etwa bei dem einen oder anderen Fredriksborger, Lipizzaner und rassetypisch bei den Kladrubern.

Speziell nach diesem Körpermerkmal benannt wurden die „Dillenburger Ramsnasen“. Schon zur Regierungszeit Wilhelm des Reichen, Graf von Nassau-Dillenburg von 1516 bis 1559 waren die mittelgroßen, muskelbepackten Pferde mit ihrer gebogener Kopfform und der hoher Knieaktion über die Grenzen des Fürstentums hinaus bekannt und begehrt. Sie eigneten sich sowohl als Parade-Pferde als auch zum Ziehen der Staatskarossen.

Die Dillenburger Ramsnasen entstanden aus der geschickten Anpaarung spanischer, neapolitanischer und orientalischer Hengste an holsteinische und dänische Stuten. Der Pferdebestand der kleinen hessischen Grafschaft erlitt jedoch große Verluste im Verlauf der insgesamt 80 Jahre dauernden Kämpfe der Niederländer gegen die spanische Herrschaft, da sich alle Söhne Willhelms des Reichen sowie weitere Verwandte an diesem Freiheitskampf beteiligten.

1615 wurde ein kleines Gestüt mit Beschälstation im Westerwald gegründet, um die Rasse wieder aufzubauen. Die Bauern der umgebenden Kirchspiele wurden aufgefordert ihre besten Stuten von den Hengsten decken zu lassen, die aus Den Haag nach Hessen abgestellt worden waren.

Rund 50 Jahre später wurde sogar eine Gestütsordnung erlassen, die Stutenbesitzer bei Strafe von 10 Reichsthalern verpflichtete ausschließlich die herrschaftlichen Hengste zu benutzen sowie Stuten nicht ohne staatliche Genehmigung ins Ausland zu verkaufen und die Fohlen dem Landesherren in Dillenburg zum Kauf anzubieten.

Die Dillenburger Ramsnasen waren so begehrt, dass viele Interessenten aus dem Ausland die Pferdemärkte der Gegend besuchten. Mit der Lockerung der Gestütsordnung in 1749 durften Stuten und Stutfohlen nun doch ins Ausland verkauft werden. Diese gesteigerten Absatzchancen veranlassten die Züchter ihre Stutenbasis durch Neueinkäufe zu verbessern. Gleichzeitig wurden sechs Neapolitaner sowie neun  Hengste aus Dänemark „von ausgezeichneter Güte und Schönheit“ aufgestellt, durch die die Zucht einen neuen Höhepunkt erreichte. Selbst der Hof in Den Haag lobte die aus Hessen gelieferten Pferde.

Leider wurde wenig später im Zuge des Siebenjährigen Kriegs mit Frankreich durch den Beschuss von Schloss Dillenburg und der Gestütsanlagen in 1760 und der anschließenden Beschlagnahmung des Stutenbestands die Zuchtbasis stark beeinträchtigt und geschmälert. Auch erfolgte eine Umstellung auf orientalische Hengste. Als Ergebnis waren die Nachkommen zu klein und zu schwach und im Temperament nicht immer einfach. Das wirkte sich nachteilig sowohl auf die Preise als auch auf die Bedeckungszahlen und letztendlich auf das Überleben der Rasse aus.                                       Barbara Schulte

 

 

 

 

 

 

 

 

Teile den Beitrag!

Hat Dir der Artikel gefallen?
Dann bedanke Dich bei uns mit einer Tasse Kaffee!

Deine Spende, egal wie hoch, hilft das Du das Magazin weiterhin kostenlos lesen kannst!

„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

Hofreitschule MGA Versicherung
Andrea Lipp Barockreiten
Go to Top