Hengst der Schweizer Züchterin gewinnt in Tarmstedt

18. Juli 2022

Kreisfohlenschau der Hannoveraner / Norddeutsches Championat für den Trakehner Nachwuchs
Am Rande des kleinen Ortes Tarmstedt, irgendwo im Nirgendwo zwischen Zeven und Bremen findet ein Mal im Jahr die landwirtschaftliche Ausstellung statt. Ausgerichtet auf die Bauern, die großes und kleines Gerät für Acker, Wiesen und Ställe brauchen, inklusive kleinem Marktplatz für Essen und Trinken rund um ein Riesenrad, denn Leib und Seele sollen auch nicht zu kurz kommen. An einem Zipfel des Ausstellungsgeländes führen Hannoveraner und Trakehner ihre Stuten und Fohlen einer Jury vor: gekürt wird das beste Fohlen im Kreis. Die Trakehner führen in Tarmstedt sogar das Norddeutsche Fohlenchampionat durch, allerdings nur mit acht Teilnehmern. Pferde sind da deutlich besser zu Fuß als die meisten Besucher – und weniger übergewichtig sind sie auch!

Die Anfahrt gestaltet sich fast problemlos, da die Besucher von mehreren Seiten auf das Gelände und die weitläufigen Wiesen gelangen, die als Parkplatz dienen. Falls das Navi versagt, ist das Riesenrad schon von weither gut zu erkennen: dort ist der Rummel. Ein Grund, Geländewagen zu fahren: mit einem Kleinwagen würde ich über diese Wiesen nicht juckeln wollen. Kleine Scherze am Rande nicht ausgeschlossen. Der Sicherheitsdienst hat Humor und weist die Autofahrer geschickt ein. Sollte es Sturzbäche vom Himmel regnen, sind genügend Traktoren und Schlepper vorhanden.

Verabredet zur Kreisfohlenschau auf dem Showring, kreiseln viele Besucher erst einmal planlos um den ganzen Platz herum und viele verlieren bei der zweiten Runde schon die Orientierung oder sie lassen sich von den zahllosen Ständen mit allerlei Dingen zu sehr ablenken. Haushaltswaren, Futter, sogar Kaminöfen oder Balkonanlagen für Solar gehören zum vielseitigen Angebot. Einfach wagen mal zu fragen: am Häuschen, in dem junge Damen als Ratgeberinnen sitzen, hängt ein Plan. Schön, aber einfacher wäre es doch, die Eckpunkte mit Ballons, die weithin sichtbar wären, auszustatten? Egal, wir finden uns trotzdem, mit Verspätung. Zeit für einen Kaffee vom Bremer Röster, der wirklich gut ist, aber eben auch seinen Preis hat.

Auf dem Ring, wie sich der Aktionsbereich nennt, werden mit etwas zeitlicher Verspätung die Alt-Oldenburger vorgestellt. Leider ist die weibliche Stimme am Mikrofon zu unangenehm, um lange zu lauschen. Die ersten Sätze genügen aber auch für die Erkenntnis, dass dort jemand ein X für ein U tauschen möchte: angeblich reißt sich die Polizeireiterstaffel um diese Pferderasse? Seit wann? Seit wann nicht mehr: seit ruhige, zu große Hannoveraner und „gewöhnliche“ Oldenburger für die Preise zu haben sind, die der Chefeinkäufer der Polizei zu zahlen bereit ist. Der Sportreiter von heute will lieber Pferde mit Blut, also temperamentvolle, feine und leicht zu bedienende Pferde mit edlem Blick und „trockenen“ Köpfchen. Ganz gleich, ob die reiterliche Ausbildung dafür auch genügt.

Nach Falknern und Trickreitern sind die Isländer an der Reihe. Wer häufiger in Tarmstedt zu Gast ist, langweilt sich, denn die Nummern, die zu sehen sind, gleichen sich Jahr für Jahr: mit dem Bierglas in der Hand wird gezeigt, wie ruhig der Isi seine Gäste im Sattel sitzen lässt. Fachkundiges Publikum erkennt dagegen unsinnigen Beschlag, der wohl nur für ständiges Reiten in der Ovalbahn taugt, wenn überhaupt. Witzig ist dagegen die Ansicht von hinten: wippende Schweife im Takt, zehn oder zwanzig Kruppen im Tölt, kreuzweise durch die Bahn im Renntempo. Vorn dagegen hoher Kopf und sperriges Maul, weil diese Haltung leider nicht gesundheitsförderlich ist. Das geht auf Rücken und Gelenke! Im Sattel alle fröhlich winkend mit ansteckend guter Laune, das macht viel wieder wett.

Während der Großteil der Besucher ausschließlich wegen schweren Geräts für Acker und Weide oder für den Stall im Großbetrieb da sein dürfte, interessieren sich Jahr für Jahr weniger Menschen für die Kreisfohlenschau. Ein Nachmittag für die Trakehner, einer für die Hannoveraner Nachzucht. Stuten, die von fremden Fachkräften vorgemustert werden, was nicht gerade zart auf Trense mit Gebissen erfolgt, auch wenn die Stute brav neben dem Vorführer steht. Eine Pferdewirtin gibt die Stute nach dem Mustern sogar mit wenig Wertschätzung und den Worten „hier hast Du Deinen Gaul“ ab? Dazu sollte gesagt werden, dass die wenigen Züchter, die Stuten und Fohlen selbst vorstellen, beim Lauf über die Dreiecksbahn auch nicht gerade eine gute Figur abgeben. Will das jemand wirklich sehen?

Stuten mit Fohlen bei Fuß, die wenige Monate alt sind, werden hier von drei Herren gerichtet, die offenbar mehr auf die Papiere achten als auf das, was da vor ihnen in der Hitze läuft. Deutsche Zuchtverbände, in denen der weibliche Anteil nicht in der oberen Etage zu finden ist, sondern eher bei der Stallarbeit, beim Vormustern oder Einflechten der Mähnen. Angetrieben von langer Peitsche mit Plastikschlaufe, die dann beim wilden Schwung auch schon einmal abfallen kann. Fohlen, schon relativ schlapp bei diesem Wetter und dem ungewohnten Terrain abseits der heimischen Wiesen – oder Boxenhaltung – müssen hier abheben, um Punkte zu bekommen.
Ob es sich um ein Dressur- oder Springfohlen handelt, dürfte den Experten weniger leicht zu beurteilen sein, würde ihnen niemand Abstammung und Besitzverhältnisse vorher verraten. „Blindes Richten“ würde dagegen erfordern, dass sich die Jury wirklich gut auskennt und Fohlen beurteilen kann, die zukünftig auf den Markt oder zur Auktion kommen. Früher war dabei ein Kriterium, wie langlebig und leistungsfähig so ein „Zuchtprodukt“ ist, ob Hufe, Beine, Rücken und Temperament passen. Heute schielt der Züchter nur auf Einkünfte, weil ein gutes Fohlen im Stall die anderen mit tragen muss, die vielleicht weniger einbringen?

Am Mikrofon wieder die unangenehme Stimme aus der Märchenstunde. Manchmal wäre es für alle Beteiligten sicher angenehmer, wenn jemand schweigen und dem Publikum selbst überlassen würde, ob es sich bei Stuten und Fohlen tatsächlich um den Kracher der Zukunft handeln könnte. Auf jeden Fall ist es ratsamer, eine Jury ins Rennen zu schicken, die weder dem Landgestüt Celle, noch einem der entsprechenden Zuchtverbände angehören dürfte. Fremdrichtertest sozusagen.

Ein Vorjahressieger, der wiederholt eine ausgezeichnete Stute mit Fohlen zeigte, oft abseits eines Hengstes aus dem Modetrend, lieber Hengste wählt, die optimal zur Stute passen, mit beiden auch guten Umgang pflegt, fehlte in diesem Jahr „unentschuldigt“. Wer seine Internetseiten anschaut, ahnt warum: der Hof zieht mit einer Ammenstute zwei fremde und ein eigenes Fohlen auf. Also alle Hände voll zu tun! Vielleicht hat er sich überlegt, dass der Aufwand, den er mit Stuten und Fohlen zur Kreisfohlenschau betreiben muss, in keinem Verhältnis steht zum „Gewinn“ der Trophäe?
Die Auszeichnung des Siegers der Kreisfohlenschau geht häufiger an einen bekannten Stall, vielleicht sogar mit altem Stutenstamm, zwangsläufig aber nicht gleichzeitig an das beste Fohlen. Die jüngeren unter ihnen, die vielleicht erst im Mai oder April geboren sind, haben auf jeden Fall ein Trauma nach diesem Tag. Wenn sie danach wieder auf die Weide entlassen werden, mag sich das zurechtwachsen. Wenn nicht, ist das immerhin die Auslese, welches Fohlen zum Gebäude und Gangwerk auch die besten Nerven hat?

Zwei Richter kürten bei den Trakehnern den besten Nachwuchs Norddeutschlands, Maren Schlender und Hans Britze. Angetreten sind nur acht Stuten mit ihren Fohlen, darunter eine Züchterin aus der Schweiz, die den Gesamtsieger stellte. Die Trakehner betreiben eine Bundeszucht, verteilt auf das ganze Land und vereinzelt eben auch mit Züchtern aus dem benachbarten Ausland.

1a-Preis: Stutfohlen von Millennium und Pr. u. St.Pr.St. Inschi von Connery Züchter: Frank Scharffetter, Schwanewede
1b-Preis: Stutfohlen von Tantalos und Tahia von Freudenfest Züchter: Uwe Woltmann, Bad Zwischenahn
1c-Preis: Stutfohlen von Timberland und Gute Laune von Schwarzgold Züchter: ZG Hübler-Bücking, Butjadingen
1d-Preis: Stutfohlen von Tecumseh und Mythos des Südens xx von Linngagri xx Züchterin: Sarah Möhren, Haren
1a-Preis: Hengstfohlen von Kwahu und Gräfin Sophie von Axis Züchterin: Valerie Gubitose, Binningen (Schweiz)
1b-Preis: Hengstfohlen von E. H. Imperio und Renata von Tanzmeister II Züchterin: Martina Hoops, Bötersen
1c-Preis: Hengstfohlen von Helium und Hofdame V von Hofrat Züchterin: Andrea Böhn, Harsefeld
1d-Preis: Hengstfohlen von Karakallis und Pr. St. Ballsinfonie von Donaufischer Züchter: Thorsten Köhler, Wilhelmshaven

Karola Bady

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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