Pferdehaltung: Urteile aus dem Tierschutzbereich
6. August 2018
Pferdehaltung | Annette Brenken
Die Pferdehaltung hat in den vergangenen 30 Jahren eine deutliche Verbesserung erfahren. Trotzdem gibt es immer wieder Situationen, in denen von einer nicht angemessenen Haltung gesprochen werden kann. Tierfreunde – entsetzt über Haltungsbedingungen von Pferden – wenden sich in diesen Fällen in der Regel an den zuständigen Amtsveterinär. Während vielerorts die vorsichtige und zurückhaltende Reaktion der zuständigen Tierärzte bemängelt wird, scheinen sich in letzter Zeit einige Behörden die strikte Durchsetzung von Tierschutzrecht auf die Fahnen geschrieben zu haben.
So wurde in Norddeutschland ein kompletter Pferdebestand von 57 Tieren mit dem Verdacht der Tierquälerei beschlagnahmt und abtransportiert. Zu den Tieren, die sich in den Stallungen und auf den Koppeln des betroffenen Reitvereins befanden, gehörten in diesem Fall auch zahlreiche Pferde, die als Pensionspferde in dem Stall untergebracht waren.
Ein anderer Fall erregte die Gemüter in Niedersachsen. Im Kreis Hannover haben einige Stallbetreiber Post erhalten, mit der Aufforderung innerhalb von drei Monaten die vorhandenen Boxen umzubauen, so dass sie die nach Tierschutzrichtlinien erforderlichen Maße aufweisen. Die Frist ist für einige Betriebe kaum einzuhalten. In mindestens einem Fall kollidiert diese Forderung zudem mit den Denkmalschutz-Richtlinien, die für das historische Gebäude gelten.
Grundsätzlich gilt: Jeder Tierarzt und jeder Tierhalter, – züchter und Tierproduzent hat tierschutzrechtliche Aspekte zu beachten.
Hier sind einige maßgebliche Entscheidungen und Ausführungen zusammengestellt, die nur einen kleinen Einblick in die Materie geben können:
Immer wieder werden bei der Pferdehaltung Auflagen durch die zuständigen Ämter erteilt oder der Bau von Stallgebäuden zur Pferdehaltung gar nicht genehmigt. Hier spielt das Baurecht eine große Rolle, aber auch tierschutzrechtliche Erwägungen. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten am 9.6.2009 veröffentlicht. Diese werden von den zuständigen Ämtern zur Beurteilung der einzelnen Fälle herangezogen, jedoch hat die Behörde auch Ermessen und kann einzelfallbezogene Auflagen erteilen. Leitlinien sind nicht rechtsverbindlich und sind lediglich Orientierungs- und Auslegungshilfen bei der Anwendung der einzelnen Rechtsnormen. Mithin ist insbesondere bei baurechtlichen Problemen zu prüfen, welches Baurecht vor Ort gilt, welche Normen Anwendung finden etc. Darüber hinaus finden diese Fälle in der Regel im baurechtlichen Außenbereich statt, wo die Behörden Einzelfallbezogene Auflagen erteilen können und daher jeder Fall anders ist.
Das Sozial-, Bewegungs-, Fress- und Ruheverhalten der Tiere ist zu berücksichtigen. Die dauerhafte Ständerhaltung ist nach diesen Richtlinien tierschutzwidrig. Bei Boxenhaltung muss Sicht-, Hör- und Geruchskontakt zu Artgenossen möglich sein, unverträgliche Pferde sind nicht nebeneinander unterzubringen. Es sind bauliche Maßstäbe zu berücksichtigen, bei Altbauten andere, als bei Neubauten. Hier ein Auszug aus der Richtlinie zu einzelnen Punkten:
4.1 Stallgebäude
– Lichte Deckenhöhe >1,5 x Wh ( = Widerristhöhe )
Empfehlung für Neubauten: >2 x Wh (bei Gruppenhaltung >2,5 x Wh).
– Luftraum >30 m3/500 kg.
– Elektroabgrenzungen in Boxen und Kleinausläufen (>(2 x Wh)2/Pferd) sind tierschutzwidrig.
– Fenster aus zerbrechlichen Materialien in einer von den Pferden erreichbaren Höhe, müssen gesichert sein.
– Leuchten, Elektroleitungen und –anschlüsse dürfen sich nur in gesichertem Zustand in Reichweite der Pferde befinden.
– Wasserleitungen müssen ausreichend gesichert sein.
– Alle Metallteile müssen geerdet sein.
4.2. Fütterungs- und Tränkeinrichtungen
4.2.1. Fressstände
– Fressstandlänge >1,8 x Wh (einschließlich Krippe).
– Fressstandbreite = 80 cm.
– Trennwandhöhe >1,3 x Wh.
– In Fressständen, in denen kein Ausfallschritt möglich ist, darf die Futtervorlage nicht auf dem Boden erfolgen. Hier muss die Fressebene auf 20 cm bis maximal 60 cm angehoben werden.
– Bei den Trennwänden ist seitliche Transparenz (Sichtschlitze) zwischen den Pferden
erforderlich, ohne dass jedoch gegenseitiges Beißen oder Schlagen möglich ist.
Zur Vermeidung von Verletzungen sollten Fressstände im unteren Bereich vollständig geschlossen sein.
– Fressstände werden für Gruppenhaltung empfohlen, können aber durch andere Maßnahmen zur individuellen Futterversorgung ersetzt werden.
– Der Bereich hinter den Fressständen muss ausreichend groß bemessen sein (mindestens
1,5 x Wh Tiefe).
Boxen
– Boxenfläche für ein einzeln gehaltenes Pferd >(2 x Wh)2.
– Boxenfläche für eine Stute mit Fohlen >(2,3 x Wh)2
– Länge der Boxenschmalseite >1,75 x Wh.
– Trennwandhöhe:
einfache brusthohe Trennwand: ca. 0,8 x Wh;
Trennwand mit Aufsatzgitter >1,3 x Wh.
– Boxenabtrennungen müssen so ausgeführt werden, dass keinesfalls ein Einklemmen der Hufe möglich ist.
– Außendurchmesser der senkrechten Stäbe (Rohre) = 19 – 25 mm (3/4 – 1 Zoll);
Außendurchmesser der waagerechten Stäbe (Rohre) = 38 – 51 mm (1,5 – 2 Zoll).
– Materialstärke der Rohre:
Stäbe/Rohre dürfen unter Last nur schwer verformbar sein.
– Trennwanddicke:
Trennwände müssen durchtrittfest sein. Orientierungsmaße:
Trennwanddicke (bei Ausführung in Hartholz, z. B. Eiche): ca. 4 cm;
Trennwanddicke (bei verleimten Mehrschichtplatten): ca. 2,5 cm, usw. usw.
Wer sich vollständig hierüber informieren will, sollte die Richtlinien, die beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz veröffentlicht sind, einsehen und ggf. dort anfordern. Diese werden auch immer wieder überarbeitet und sollten jeweils aktuell angefordert werden. Auch die Landesämter für Verbraucherschutz geben Informationen hierzu heraus.
Jeder Stallbetreiber sollte daher eine entsprechende Genehmigung zur Pferdehaltung der zuständigen Behörden und auch die entsprechende Sachkunde haben. Da die Richtlinien zur Pferdehaltung aufgrund des Tierschutzes sich ständig ändern, kann auch eine Haltung, die vormals zulässig war ( z.B. Ständerhaltung ) zukünftig nicht mehr zulässig sein. Grundsätzlich bedürfen auch die Stallgebäude einer Genehmigung und müssen auch zur tiergerechten Unterbringung der Pferde geeignet sein. Hier haben die Behörden die in der jeweiligen Gemeinde geltenden Regelungen anzuwenden und haben Ermessen. Jeder Fall ist daher anders zu entscheiden.
Ebenso ist eine alleinige Einzäunung mit Stacheldraht tierschutzwidrig in der Pferdehaltung urteilte das OVG Lüneburg am 18.6.2013, 11 LC 206/12 und bestätigte damit die erstinstanzliche Entscheidung des VG Oldenburg vom 13.6.2012 zum Az 11 A 1266/11.
Ein maßgebendes Urteil zur tierschutzwidrigen Pferdehaltung einer Halterin von 3 Pferden fällte das AG Starnberg am 6.2.2012, Az Cs 12 Js 33703/10: Die Halterin wurde zu einer Strafe in Höhe von 180 Tagessätzen á 150 € verurteilt, weil die Pferde in reiner Boxenhaltung ohne Freigang gehalten wurden, in Rollkur geritten wurden und ein blutiger Sporeneinsatz erfolgte. Die Richter befassten sich in diesem Fall umfassend mit Trainingsmethoden und Haltung von Pferden unter Heranziehung von Beurteilungen durch Sachverständige. Die Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport und Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten des Bundesamtes für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wurden bei der Begründung des Urteils ebenfalls herangezogen.
Annette Brenken
Rechtsanwältin Brenken www.rechtumspferd.de
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