Das Pferd im Straßenverkehr

6. August 2018

Recht | Annette Brenken

Für jeden Reiter und Pferdehalter ist es eine grauenhafte Szene: Das Pferd rennt unkontrolliert auf eine Straße. Immer wieder kommt es zu tödlichen bzw. schweren Unfällen mit Pferden im Straßenverkehr.

Bei Berlin kollidierte ein Pferd mit einem Auto, dem Fahrer passierte zum Glück nichts, das Pferd wurde jedoch schwer verletzt und das Auto schwer beschädigt. Das unfallverursachende Pferd war einem Förster durchgegangen. Es hatte sich vermutlich erschreckt, als der Förster gestürzt war und lief aus dem Wald auf die Straße.

So glimpflich geht es für die anderen Unfallbeteiligten jedoch häufig nicht aus, wenn sie mit einem Pferd kollidieren. Und für den Pferdehalter, Tierhüter bzw. Reiter kann es in der Folge schnell teuer werden, je nach Höhe des Schadens und Haftungsanteilen.

Es empfiehlt sich immer eine umfassende Tierhalterhaftpflichtversicherung und eine Privathaftpflichtversicherung (mit Risiko Reiten) zu haben, auch als Reitbeteiligung (diese sollte zusätzlich noch eine Unfallversicherung haben, die ebenfalls das Risiko Reiten mit einschließt). Auch die Reitbeteiligung kann je nach Einzelfall und Verfügungsbefugnis über das Pferd als Tierhalter gesehen werden und als solcher im Wege der Gefährdungshaftung mit in Anspruch genommen werden. Zahlreiche Haftungskonstellationen sind daher möglich zwischen, Tierhalter, Tierhüter, Reiter, Reitbeteiligung, Helfer am Pferd und Geschädigtem, den auch ein Mitverschulden treffen kann. Diese Details können hier nicht alle dargestellt werden, es ist nur ein kleiner Überblick möglich.

 

Der Halter eines Pferdes haftet in der Regel nach § 833 BGB für die von dem Tier verursachten Schäden im Wege der Gefährdungshaftung. Pferde gelten in der Regel als Luxustiere, für die der Halter unabhängig vom Verschulden haftet. Der Halter hat bei der Aufsicht über sein Tier die erforderliche Sorgfalt zu beachten. Die Haftung für das Tier kann bei der gewerblichen Haltung verschuldensabhängig sein, wenn es sich um ein Nutztier handelt. In solch einem Fall kann sich der gewerbliche Pferdehalter exculpieren, d.h. er kann der Haftung entkommen, indem er darlegt und beweist, dass er gewissenhaft und sorgfältig gehandelt hat bei der Haltung und im Umgang mit dem Tier.

 

Hier werden einige Urteile zu diesem Thema vorgestellt:

Ein nicht mehr ganz aktueller und lesenswerter Klassiker ist das zum Teil in Gedichtform verfasste Urteil des AG Köln, welches sich mit der Haftung eines betrunkenen Bierkutschers, dessen Brauereipferd ein Auto beschädigte, befasst. Der Bierkutscher haftete nach Ansicht des AG Köln, 19.12.1984, Az: 226 C 356/84, in dem sogenannten und unter diesem Begriff auch per Suchmaschine im Internet auffindbaren „Bierkutscherurteil“ für den Schaden und machte sich strafbar. Das Gericht nutzte diesen Fall mit geringem Sachschaden für zwar formal juristisch korrekte, aber humorvolle Ausführungen über Pferde und Kutschen im Straßenverkehr.

Das OLG Karlsruhe urteilte ernsthafter am 6.12.1995, 7 U 21/95, dass bei einer gewerblichen Kutschfahrt (Nutztiere) der Eigentümer der Tiere nicht haftet, wenn die Pferde durchgehen, weil sie durch einen aus dem Unterholz springenden Hund aufgeschreckt worden sind, da auch bei korrekter Beaufsichtigung in einem solchen Fall keine Möglichkeit besteht, diese Reaktion der Pferde zu verhindern.

Den Geschädigten kann jedoch auch eine Mitschuld treffen. Wenn ein Autofahrer sich mit überhöhter Geschwindigkeit in einer geschlossenen Ortschaft einer Reitergruppe nähert und ein Pferd sich aufgrund seiner Vollbremsung erschreckt und auf die Fahrbahn gerät, haftet der Halter nur für 20 % des Schadens, entschied das OLG Köln, 27 U 92/92.

Zur Haftung des Halters bei einem Ausritt, wenn sein Pferd austritt und dabei einen anderen Reiter verletzt, entschied das OLG Bamberg, 11.08.2003, 4 U 77/03, dass den Verletzten ein Mitverschulden trifft, wenn er den Sicherheitsabstand nicht einhält, er musste im benannten Fall ein Viertel des Schadens selbst tragen. Das LG Trier, 12.02.2004, 3 O 156/03 sah in einem ähnlichen Fall keine Mithaftung eines verletzten Reiters.

Weidezäune müssen dem Sicherheitsstandard entsprechen. Ist dies nicht der Fall und die Pferde entlaufen von der Koppel und verursachen einen Verkehrsunfall, haftet der Halter für den gesamten Schaden, auch wenn den Autofahrer selbst ein leichtes Verschulden trifft, OLG Celle, 13.1.2005, 14 U 64/03. Gleiches entschied das OLG Saarbrücken, 17.1.2006, 4 U 615/04, im Falle eines durch den Unfall verstorbenen Motorradfahrers.

Der Reiter haftet auch für den Schaden, der durch das Scheuen seines Pferdes verursacht wird, dem Autofahrer kann jedoch die Betriebsgefahr seines Kfz und demnach eine Mitschuld angerechnet werden, entschied das OLG Celle am 19.12.2002, Az: 14 U 94/02.

Ein am Straßenverkehr teilnehmendes Pferd muss straßensicher sein und von einer geeigneten Person geführt werden. Autoscheue, nervöse sowie unerfahrene Jungpferde gelten nicht als straßensicher, ebenso eventuell Pferde mit Gesundheitsschäden, wie z.B. Taubheit oder Blindheit, die die Sicherheit einschränken. Bei solchen Pferden, insbesondere Jungpferden sind zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Diese Pferde müssen geführt oder von einem erfahrenen Pferd begleitet und abgeschirmt werden, nach Ansicht des BGH (Urteil 20.1.1961, Az: VI ZR 87/60) und des OLG Hamm (Urteil vom 4.6.1971, Az: 3 S 348/71).

Verschmutzungen der Fahrbahn sind durch den Reiter umgehend zu beseitigen, dies gilt auch für Pferdeäpfel. Der Verstoß hiergegen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, als Ausnahme gilt dies im Einzelfall in sehr ländlichen Gegenden, wo mit derartigen Verschmutzungen regelmäßig gerechnet werden muss. Der Verursacher der Verschmutzung haftet für einen Unfallschaden, der durch die Verunreinigung verursacht wurde (z.B. Motorrad rutscht weg), so ein Urteil des BGH vom 23.1.2007, Az: VI ZR 146/06.

 

Ein Autofahrer, der mit 0,3 Promille (1 Bier oder ein Glas Wein) ein Fahrzeug führt und Warnungen durch am Straßenrand winkende Personen missachtet, haftet nach Ansicht des OLG Celle, Urteil vom 13.5.2004, zu zwei Dritteln für den Schaden, der entsteht, wenn er in eine Gruppe ausgebrochener Pferde fährt.

 

Stürzt ein Reiter betrunken vom Pferd, haftet seine Unfallversicherung naturgemäß nicht, meinte das OLG Celle, Az 8 U 153/01.

Auch ein gewerblicher Pferdehalter haftet für den Unfallschaden, den ein ausgebrochenes Pferd verursacht, wenn er es in einer nicht für die Pferdehaltung geeigneten Umzäunung unterbringt. Ein Zaun von 1 Meter Höhe ist nicht ausreichend. Einen Mofafahrer, der nachts in das ausgebrochene Pferd hineinfährt und sich schwer verletzt, trifft hierbei nur eine geringe Betriebsgefahr von 20 %, entschied das OLG Köln am 16.11.2000, AZ 7 U 64/00.

 

Das OLG Koblenz urteilte am 16.4.2012, dass den Tierhüter die Haftung trifft, wenn die auf der Weide befindlichen Pferde beim Umsetzen eines Weidezaunes ausbrechen. 2 Pferde hatten einen schweren Verkehrsunfall verursacht, nachdem sie beim Umsetzen des Weidezaunes gegen die nun von Menschen gehaltenen Litzen gerannt und dabei ausgebrochen waren. Der Fahrer des KFZ erlitt bei dem Unfall eine Querschnittslähmung. Es wurde von dem Gericht als Verschulden eingestuft, die Pferde nicht zuvor gesichert zu haben, bevor die Weidezäune umgesetzt wurden. Wichtig ist es daher auch für Tierhüter eine entsprechende Tierhüterhaftpflichtversicherung zu haben, die auch den sogenannten Obhutsschaden abdeckt. Denn die Haftpflicht tritt nur für den Schaden von Dritten (Autofahrer, Kfz-Halter) ein, der Schaden am eingestellten Pferd ist gesondert zu versichern (Obhutsschaden).

 

In einem weiteren Fall haftete der Halter des Pferdes (Vater) und dessen reitende Tochter. Diese hatte die Boxentür bei ihrem Pony nicht richtig verschlossen, dies war fahrlässig. Das Pony schob diese auf und bei dem anschließenden Unfall entstand ein Schaden in Höhe von ca. 590.000 €. Bei dem Verfahren ging es darum, dass die Haftpflichtversicherung der Tochter und die Tierhalterhaftpflichtversicherung die Zahlung verweigerten. Letztlich gab das Gericht den Versicherungen Recht, dies begründete das Gericht jedoch mit dem widersprüchlichen und fehlerhaften Sachvortrag des Klägers, der auf Deckung für den Schaden gegenüber der Tochter geklagt hatte und widersprüchlich vortrug, dass diese Halter des Ponys gewesen sei, später diesen Vortrag änderte und die Anträge beim Gericht fehlerhaft stellte. Die Versicherungen mussten nicht zahlen und fraglich ist in solch einem Fall, ob die Berufshaftpflichtversicherung des beteiligten Rechtsanwaltes eintreten muss. Für die Familie ist ein solcher Fall jedenfalls eine Katastrophe. Daher ist es wichtig, die Haltereigenschaft zu klären und sich richtig zu versichern.

 

Kommt ein Reiter zu Schaden, dessen Pferd sich vor einem unangeleinten Hund erschreckt, haftet der Hundehalter und erfüllt darüber hinaus den Tatbestand einer fahrlässigen Körperverletzung, da es vorhersehbar ist, dass unangeleinte Hunde ein Pferd erschrecken können, urteilte das AG Neuwied 2102 Js 38144/95 ( Strafgericht ).

 

Diese Beispiele zeigen wieder, dass es im Grunde wieder auf jeden Einzelfall ankommt.

Rechtsanwältin Brenken www.rechtumspferd.de

 

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