Das domestizierte Pferd – Haltungsformen
9. April 2018
Stall und Weide | Rebecca | 10.04.2018
In Paragraf zwei Tierschutzgesetz (TierSchG) ist festgelegt: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“
Neben diesen allgemeinen Regeln, hat der Gesetzgeber speziell für die artgerechte Haltung von Pferden die Möglichkeit des Hör-, Sicht- und Geruchskontaktes zu Artgenossen vorgeschrieben. Zudem muss zum Beispiel eine Box so beschaffen sein, dass Pferde sich zum Schlafen in Seitenlage hinlegen können. Bei einer Haltung in einem offenen Stall muss genügend Platz vorhanden sein, damit sich alle Tiere gleichzeitig in diese Lage begeben können.
Von Natur aus braucht ein Pferd Futter, Bewegung und Gesellschaft. Aber welche Pferdehaltung kann das leisten und ist am besten geeignet?
GÄNGIGE HALTUNGSFORMEN
Ständerhaltung
Das Pferd steht, z.T. Stunden lang oder sogar Tag und Nacht, angebunden zwischen zwei Stangen oder Trennwänden, die ihm kaum Bewegung zu den Seiten ermöglichen. Diese Haltung entstand, als das Pferd vor allem als Arbeitstier beansprucht wurde und schnell zum Gebrauch verfügbar sein sollte.
Vorsicht: Diese Form der Haltung ist in den meisten Bundesländern verboten und gilt als Tierquälerei.
Boxenhaltung
Der Stall wird in viele gleich große Boxen aufgeteilt, in denen sich jeweils ein Pferd aufhält. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung empfiehlt, dass die Größe der Box mindestens der doppelten Widerristhöhe des Pferdes im Quadrat entsprechen sollte – vereinfacht gesagt: etwa 3,5 mal 3,5 Meter. Leider gibt es noch immer Ställe, deren Boxen nicht diesem Mindestmass entsprechen.
Die Boxenhaltung ist auch heute noch eine der häufigsten Haltungsformen.
Paddockboxenhaltung
Das Wort Paddock beschreibt einen asphaltierten oder mit Sand ausgelegtenAuslauf im Freien, meistens in der Grösse von einer, zwei oder drei Boxen, der direkt mit der Innenbox verbunden ist, sodass das Pferd die Möglichkeit hat zu entscheiden, ob es sich im Innen- oder Aussenbereich aufhält. Es hat mehr Bewegungsfreiheit als in einer Box und kann das Geschehen in und um den Stall besser verfolgen. Oftmals liegen mehrere offene Paddockboxen nebeneinander, so dass die Pferde die Möglichkeit haben, über den Zaun hinweg miteinander in Kontakt zu treten.
Laufstallhaltung
Vergleichbar mit der Rinderhaltung handelt es sich hierbei um einen grossen Stallbereich ohne räumliche Trennung, in dem sich mehrere Pferde gemeinsam aufhalten und auch zusammen dort getränkt und gefüttert werden. Diese Haltungsform bietet eine gute Möglichkeit zur Kontaktaufnahme und bietet dem Pferd eine gewisse Bewegungsfreiheit. Oftmals ist hier jedoch gerade für rangniedrige Pferde oder bei Machtkämpfen die Ausweichmöglichkeit begrenzt, was zu Stress und Verletzungen führen kann.
Offenstallhaltung
Ein Offenstall ist ein grosser überdachter Bereich auf einem Aussenplatz oder einer Koppel, der von mehreren Pferden gemeinsam als Unterstand genutzt werden kann. Die Pferde haben somit mehr Bewegungsfreiheit, dauerhaft soziale Kontakte und die Möglichkeit zu wählen, wo sie sich aufhalten. Es kann jedoch auch bei dieser Haltungsform vorkommen, dass die ranghohen Pferde nicht alle ihre Artgenossen an den Unterstand heranlassen. Je nach Beschaffenheit können hier eine Abtrennung in mehrere Bereiche, das Einrichten mehrerer Eingänge oder mehrere getrennte Unterstände Abhilfe schaffen. Viele Pferde leben ganzjährig Tag und Nacht im Offenstall.
Gruppenauslaufhaltung
Hier bilden Lauf- oder Offenstall, Auslauf und Weide eine Einheit, sodass grössere Pferdegruppen sich im Herdenverband frei bewegen können. Die „Luxusvariante“ ist hier der Bewegungsstall oder Aktivstall. Er besteht aus Ruhebereichen, Futterstellen (z.T. gesteuert durch einen am Pferd angebrachten Chip), Komfortzonen mit Wälzbereich, befestigten Ausläufen und Laufwegen mit unterschiedlichem Belag und soll die Pferde animieren, sich so viel und abwechslungsreich wie möglich zu bewegen.
Robusthaltung
Bei der Robusthaltung leben die Pferde ganzjährig zusammen im Freien auf grossen Weideflächen. Voraussetzung hierbei ist, dass es Möglichkeiten für die Tiere gibt, sich vor Sonne, Wind und Insekten zu schützen, entweder unter Bäumen oder in Unterständen. Laut EU-Tierschutzrichtlinie ist ein Unterstand vor allem für die Wintermonate Vorschrift.
GUTE PLANUNG IST DIE HALBE MIETE
Neben der Haltungsform spielt auch die Bodenbeschaffenheit eine Rolle. Nasser oder matschiger Untergrund kann leicht rutschig werden und Stürze und Verletzungen verursachen. Zudem fördert er bei Pferden typische Krankheiten wie Mauke oder Strahlfäule und Pferde legen sich verständlicherweise nicht gerne auf solchen Böden zum ruhen ab.
Des weiteren reagieren die empfindlichen Atemwege der Pferde sehr schnell auf Staub und Feuchtigkeit, weshalb vor allem im Stall eine hohe Luftzirkulation möglich sein muss.
Bei Pferden, die in der Box und im Paddock leben, muss auf ausreichende Bewegung und die Möglichkeit zu Sozialkontakten geachtet werden um dauerhaften Beeinträchtigungen zu vermeiden. Oftmals kommt es bei Boxenpferden aus Frust, Unterforderung und Langeweile zu Verhaltensauffälligkeiten. Am bekanntesten sind hier Stereotypien wie Koppen und Weben. Pferdespielzeug wie Bälle, Lecksteine oder Knabberhölzer können hier zumindest für etwas Abwechslung und Zeitvertreib sorgen.
PFERDE GEHÖREN – FAST IMMER – AUF DIE WEIDE
Der Organismus des Pferdes ist auf bis zu 16 Stunden langsam grasende Fortbewegung und Futteraufnahme angelegt. Somit ist die Weidehaltung mit Unterstand bei entsprechendem Management eindeutig die tiergerechteste Haltungsform für Pferde, gefolgt vom Bewegungsstall und der Unterbringung im Offenstall.
Für die Entscheidung, welche Pferdehaltung geeignet ist, spielen jedoch auch die individuellen Besonderheiten und Eigenschaften des jeweiligen Pferdes eine große Rolle. Gesundheits- oder altersbedingt kann ein Pferd durchaus Probleme mit einer naturnahen Haltungsform, die viel Bewegung und die ständige Auseinandersetzung mit den anderen Pferden mit sich bringt, bekommen. In diesem Fall kann es für das Tier angenehmer sein, eine andere Haltungsform zu wählen. Zum Beispiel mit einer eigenen Paddockbox und mit ausreichendem Weidegang in passender Gesellschaft.
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Bonn hat im Jahr 1995 Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen verfasst und diese 2009 gemeinsam mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung überarbeitet. Diese Leitlinien bieten nicht nur eine wichtige Grundlage der Selbstkontrolle für Pferdehalter, sondern sind auch den für die Durchführung des Tierschutzgesetzes zuständigen Behörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben hilfreich. Hier geht`s zum Download:
http://www.bmel.de/cae/servlet/contentblob/651026/publicationFile/37959/HaltungPferde.pdf
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