Zu enge Reithalfter verletzten Pferde

10. November 2017

Der Trensen- oder Kandarenzaum wird in der klassischen Reitweise grundsätzlich mit einem Reithalfter verwendet. Dieses besteht aus einem Nasenriemen, der um den Nasenrücken und den Unterkiefer verläuft, und dem Genickstück, mit dem das Reithalfter in der gewünschten Höhe fixiert wird. Der Nasenriemen verläuft unter den Backenstücken der Zäumung damit die Backenstücke und damit die Trensenringe frei beweglich bleiben.

Reithalfter sollen den Unterkiefer stützen und einen Teil des Drucks, der auf den Laden einwirkt, als Gegengewicht auf das Nasenbein übertragen. Weiterhin verhindert das Reithalfter das Aufsperren des Mauls um sich den Zügelhilfen zu entziehen und entlastet dadurch das Pferdemaul, da mehr Druck auf den Nasenrücken wirkt. Dieser Druck auf den Nasenrücken soll das Pferd dazu veranlassen, den Kopf zurück zunehmen und im Genick nachzugeben. Ohne Reithalfter müsste das Pferd hingegen den Zügeldruck ausschließlich mit seiner Unterkiefermuskulatur halten.

Hier lässt sich einwenden, dass Zügelhilfen ohnehin nicht in Kraftsport ausarten soll, wie es heutzutage leider vielerorts praktiziert wird.
Eine gefühlvolle Zügelführung vorausgesetzt, stehen die Chancen gut, dass das Pferd das Gebiss besser akzeptiert und vertrauensvoll an die Hand heran tritt – ein „Unterstützen“ durch den Nasenriemen wird so ab einem gewissen  Grad der Ausbildung nicht mehr nötig sein.

Reithalfter und Sperrriemen sollten niemals eingesetzt werden um sogenannte Maul- oder Zungenfehler zu korrigieren. Ursache für solche Fehler können häufig Schmerzen durch das Gebiss während des Zahnwechsels sein, wodurch das Pferd Angst vor dessen Einwirkung bekommen hat. Eine Ursache für das „unruhige Maul“ kann aber auch eine harte Hand des Reiters sein. Ein Reithalfter macht in diesem Fall natürlich nur Sinn, wenn dieser Reitfehler gleichzeitig abgestellt wird, denn ansonsten wird durch das Zubinden des Mauls der Zwang noch erhöht und das Pferd wird möglicherweise andere „Unarten“, wie Kopfschlagen oder Zähneknirschen, entwickeln.
Leider sieht man diesen Fall viel zu häufig in den Reitställen und auch auf den Turnierplätzen: Pferde, deren Mäuler bewusst so extrem zugeschnürt werden, damit sie sich der zu harten Zügeleinwirkung ihrer Reiter nicht entziehen und ihr Unbehagen auch nicht mehr durch Zungen- und Maulfehler zeigen können.

Ob Reithalfter als überflüssige oder auch schädliche Zwangsmittel angesehen werden und ob deren Einsatz sinnvoll erscheint muss jeder für sich und sein Pferd selber entscheiden.


Enge Reithalfter verletzen Pferde

Viele Pferde werden täglich beim Training mit einem Reithalfter geritten. Dabei umschließt ein Nasenriemen und vielleicht noch ein Sperrriemen die Pferdeschnauze. Je nachdem wie fest die Riemen verschnallt sind, schränken sie das Pferd in seinem natürlichen Verhalten ein. Werden die Riemen darüber hinaus auch noch zu eng geschnallt, führt dies zu Verspannungen im Kiefergelenk und im Nackenband. Dies kann sich über den ganzen Rücken ausdehnen. In Kombination mit den üblichen Gebissen ist dann ein Abschlucken des Speichels gestört und die Atmung wird erschwert. Zusätzlich werden durch zu enge Riemen die zahlreichen Nervenbahnen am Kopf des Pferdes gequetscht, gereizt und schlimmstenfalls geschädigt.

Wichtig: die Kautätigkeit des Pferdes darf nicht eingeschränkt sein, da ein entspanntes Kauen die Voraussetzung für die Losgelassenheit des Pferdes ist und ein Pferd mit zugeschnürtem oder verspanntem Maul kaum in der Lage sein wird, den Rücken schwingen zu lassen.
Ein falsch verschnalltes Reithalfter nimmt dem Pferd jegliche Möglichkeit, sich einer übermäßigen Einwirkung der Reiterhand zu entziehen.


Arten von Reithalftern

deutsches Reithalfter

Das deutsche Reithalfter ist das älteste unter den Reithalftern und wurde bereits vor 100 Jahren in der Kavallerie
eingesetzt. Das Halfter darf nicht zu eng anliegen, damit eine ausreichende Sauerstoffversorgung ermöglicht
wird.
Der Lederriemen, der als Nasen- und Kinnriemen dient, ist weich unterlegt und wird durch spezielle Schlaufen
am Backenstück gezogen.

 

französisches Reithalfter

Der Nasenriemen sollte knapp unterhalbdes Jochbeins verlaufen. Ein zu tief  eingeschnalltes Reithalt er kann die Atmung behindern und die Maulwinkel zwischen Gebiss und Kinnriemen einklemmen.

Dieses Reithalfter gilt als das mildeste aller Reithalfter und kann problemlos unter jedem Trensenzaum oder
Kandarenzaum verwendet werden. Dieses Reithalfter besteht aus einem Nasenriemen mit einem angeschnittenen
Kinnriemen, der über ein separates Backen-Genick-Stück in jedes Zaumzeug eingehängt werden kann.
An jeder Seite befindet sich eine Schnalle um die passende Höhe des Reithalfters einstellen zu können.

 

schwedisches Reithalfter

Im Unterschied zum französischen Reithalfter besitzt das schwedische einen Nasenriemen, an dem der Kinnriemen
durch einen D-Ring hindurch zurückgeführt und verschnallt wird. Da die Wirkung ähnlich der eines Flaschenzugs ist, kann der Nasenriemen bei geringem Kraftaufwand sehr viel fester verschlossen werden. Als optionale Möglichkeit kann ein Kinnpolster mit eingeschnallt werden.

 

amerikanisches Noseband

Das amerikanische Sperrhalfter besteht wie das französische Reithalfter aus einem Kopfstück, welches an der linken Seite mit einer Schnalle verschlossen ist und einen einfachen, ganz leicht abgepolsterten Nasenriemen besitzt.

 

hannoversches Reithafter

Foto: Camping&Reitsport HOMP

Der Nasenriemen sollte etwa 4 Finger breit über dem oberen Nüsternrand liegen. Bei seitwärtsweisenden Zügelhilfen verhindert dieses, dass das Gebiss durchs Maul gezogen wird.

Dieses Reithalfter wurde Mitte des 19. Jahrhunderts für die Pferde der Kavallerie erfunden. Deren häufig ungeübte Reiter rissen so grob an den Zügeln, dass sie ihren Pferden den Unterkiefer häufig ausrenkten oder sich das  Kiefergelenk entzündete.
Der unterhalb des Gebisses verlaufende Kinnriemen sollte deshalb dem Unterkiefer mehr Halt geben. Da dieses Reithalfter sehr tief auf der Spitze des Nasenbeinknorpels verschnallt wird muss hier mit großer Sorgfalt  herangegangen werden, da es sonst zu einem Bruch des obigen kommen kann und/oder die Atmung eingeschränkt wird.

 

kombiniertes Reithalfter

Foto: Pferde-magazin.info

Viele Reiter kombinieren das französische oder auch englische Reithalfter mit dem sogenannten Sperrriemen,
der das Pferdemaul zusätzlich unterhalb des Gebisses verschließt. Der Sperrriemen ist durch eine kleine Schlaufe am Nasenriemen befestigt und verläuft unterhalb des Gebisses durch die Kinngrube.

Bei seitwärtsweisenden Zügelhilfen verhindert dieser, dass das Gebiss durchs Maul gezogen wird.

 

Mexikanisches Reithalfter

Foto: Horze

Bei der Verschnallung muss man besonders darauf achten, dass die oberen Riemen nicht auf die Jochbeinleiste drücken. Da auch der Verbindungsring von Backenstück und Nasenriemen auf dem Jochbein liegt, muss es relativ locker verschnallt sein.

Das mexikanische Reithalfter besteht aus 2 Nasenriemen, die sich auf dem Nasenrücken kreuzen. Dort werden diese durch eine gepolsterte Rosette zusammengehalten, die fest mit den Nasenriemen verbunden sein sollte, da sie sonst leicht verrutscht. In seiner Konstruktion und Wirkung ähnelt es sehr dem kombinierten Reithalfter, es hat jedoch den Vorteil, dass die Nüstern freier liegen und die Atmung weniger behindert wird. Deshalb kommt es viel bei Spring- und Vielseitigkeitsreitern zum Einsatz.

 

Westernreiten

Westernreiter reiten in der Regel ohne Reithalfter. Auf Turnieren ist es sogar verboten. Der Grund: Das ausgebildete Westernpferd geht in der Regel am losen und durchhängenden Zügel ohne stetige Anlehnung.
Im Training und in der Ausbildung wird dennoch häufig ein „Noseband“ oder „Mouthshutter“ verwendet. Der Nasenriemen ist meist rund genäht oder besteht aus einem gewachsten Baumwollseil. Hierdurch wirkt es recht scharf auf den Nasenrücken ein. Der „Mouthcloser“ wird in der Regel sehr locker verschnallt, sodass er seine Wirkung erst entfaltet wenn das Pferd sein Maul weiter öffnet.


Resümee

Foto: faz.net

Starkes Ziehen oder gar brutales Reißen an den Zügeln ist immer eine Qual fürs Pferd – egal ob mit oder ohne Reithalfter. Ohne kann es zwar im ersten Moment durch Öffnen des Mauls der Einwirkung ausweichen, lässt der Zug dann aber nicht nach werden Laden, Zunge und Maulwinkel genauso malträtiert wie mit Reithalfter. Einziger „Vorteil“: der Betrachter sieht leichter was geschieht – einem Pferd das vor Schmerzen das Maul aufreißt sieht man seine Qual an. Ist das Maul dagegen mit einem Sperrriemen eng verschnürt, muss man schon genau hinsehen um zu sehen, ob das Tier leidet.
Ein korrekt verschnalltes Reithalfter, mit einem breiten Nasenriemen, das die Atmung nicht behindert und Kaubewegungen zulässt verteilt den Zügeldruck gleichmäßig auf Mundstück und Nasenriemen ohne dem Pferd unangenehm zu sein. Es kann ein Pferd, das sich den Gebisseinwirkungen des Reiters zu entziehen versucht, bedingt am Aufsperren des Mauls hindern. Ein sehr eng oder tief geschnalltes Reithalfter oder Sperrriemen, die jede Bewegung des Unterkiefers verhindern und möglicherweise noch dazu die Atmung behindern, verschärfen die Wirkung der Zügelhilfen und können für das Pferd zur Qual werden.

 

Text und Fotos: Hofsattlerei Cosack

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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