Der Knabstrupper

23. November 2016

Barockpferde | Melanie Enk / SK | 17.06.2017

 

„Ich hab‘ ein Haus, ein kunterbuntes Haus, ein Äffchen und ein Pferd, die schauen dort zum Fenster raus.“, singt Pipi Langstrumpf in den Filmen von Astrid Lindgren. Ihr „Kleiner Onkel“ gilt als einer der berühmtesten Knabstrupper der Welt – fälschlicher Weise. Denn tatsächlich handelte es sich hier  um einen bemalten Schimmel, der nur wegen den auffälligen Punkten den Knabstruppern zugeordnet wurde. Dass die Knabstrupper keine reine Farbzucht sind und auch mit ihrem einzigartigen Charakter und einer aufregenden Zuchtgeschichte punkten können, ist den wenigsten bewusst.

Die gepunkteten Pferde aus Peche Merle

Vor knapp 20000 Jahren, nach der vorletzten Eiszeit, lebten im südfranzösischen Raum Cromagnon- Steinzeitjäger, deren Höhlengemälde bis in die heutige Zeit erhalten sind. Auf diesen Höhlengemälden stellten die Steinzeitjäger ihre Beutetiere dar. In den Höhlen von Las Caux und Peche Merle stellen sie getigerte Pferde dar, was beweist, dass die Weißfärbung kein Domestikationszeichen ist, sondern eine Urfarbe. Möglicherweise diente es den Tieren, die am Eisrand lebten als Tarnfarbe. Als sich die Eismassen zurückzogen, war diese Tarnfarbe nicht länger nötig. Andersfarbige Pferde wanderten ein und mischten sich mit den Weißgeborenen. So entstanden möglicherweise getigerte Pferde in einer Landschaft, in der sie ideal getarnt waren. Nach den eingewanderten Pferden kamen die ersten Cromagnon-Steinzeitjäger, deren Staunen unvorstellbar gewesen sein muss, als sie die ersten getigerten Pferde sahen. Sie führten kultische und rituelle Handlungen durch, wobei die Steinzeitjäger die getigerten Pferde in verborgenen Winkeln ihrer Höhlen als Höhlengemälde verewigten. Die Höhlengemälde belegen, dass die Gene für getigerte Fellfarbe schon bei Wildpferden vorhanden waren und durch die Wanderungen der Wildpferde eine weltweite Verbreitung fanden.

Als Jahrtausende später die Pferde domestiziert wurden, war die Veranlagung für die getigerte Fellfarbe bereits vorhanden und kann durch züchterische Auswahl begünstigt worden sein. Ob in China, Persien oder in Europa, überall gab es, wenn auch selten, getigerte Pferde – schon in vorgeschichtlicher Zeit auch in Dänemark. Dänemark, das älteste bestehende Königreich der Welt, gilt traditionell als Seefahrernation, die durch die Wikinger der Welt das Fürchten lehrte und die dem Römerreich eine Grenze nach Norden bot. Auf den fruchtbaren Weiden grasten aber schon seit eh und je gute Pferde. Die Wikinger waren nicht nur gute Seefahrer, sondern sie waren auch sehr gut beritten, was durch Grab-Beigaben zu belegen ist. So findet man in den Gräbern Steigbügel, Sporen, Gebisse, Kutschen, Schlitten und wie zum Beispiel in Ladby auf der Insel Fünen, sogar elf Pferde. Die Notizen eines französischen Priesters, der im 12.Jahrhundert an seinen König schrieb, belegen, dass die Dänen über eine hervorragende Pferdezucht verfügten, die alles überragte, was er bisher gesehen hatte. Als die Weltmacht der Dänen nach dem Tod von Knud dem Großen zusammenbrach, stritten sich die Unterkönige um das Reich. Nach dem Ende der Wikingerzeit verfiel der Wohlstand Dänemarks und damit die allgemeine Pferdezucht, die fortan nur noch in dem Händen des Adels und des Klerus ihre hohe Qualität erhalten konnte.

Die Entstehung des königlichen Gestüts Frederiksborg

Schon die Wikinger betrieben selektive Zucht innerhalb der ursprünglichen Rasse und importierten einzelne Zuchthengste. Eine Tradition, die nur von sehr reichen Leuten und der Kirche gepflegt werden konnte. Als Dänemark 1536 reformiert wurde, fielen die geistlichen Besitztümer an die Krone. Auf Grundlage des ehemaligen Klostergestüts Esrom gründete Frederick II das königliche Gestüt Frederiksborg. Das Renaissanceschloss Frederiksborg wurde von seinem Sohn Christian IV erbaut, unter dessen Regierung sich am dänischen Königshof eine noch nie da gewesene Pracht entfaltete, die ebenfalls prachtvolle Pferde verlangte. Christian IV widmete sich mit großem persönlichen Engagement der Pferdezucht, wie man in seinen täglichen Notizen verfolgen kann. So wählte er die Zuchthengste persönlich aus. Für den Bedarf des Königs lieferte Frederiksborg jährlich mindestens 50 vierjährige Hengste zum Einreiten, was den Umfang des Gestüts erahnen lässt. Gelegentlich bespannte man auch die Prachtkarossen mit getigerten Pferden, was aber seltener vorkam, da es schwierig war, gleichmäßig getigerte Pferde zu züchten oder zu kaufen. Die weißgeborene Variante dagegen wurde das Staatskarossenpferd par excellence, um das sich jedes europäische Fürstenhaus bemühte. In Zeiten, als die Könige noch zur Krönung ritten, waren die Weißgeborenen das beliebteste Krönungspferd, später wurden sie bevorzugte Leibpferde vieler gekrönter Häupter.

1536 gründete Frederik II. das königliche Gestüt “Frederiksborg”.

In der Zucht wurden seltene Farben immer mehr vorgezogen. Im Jahr 1660 wird zum ersten Mal ein getigerter Stammhengst namentlich erwähnt. Nach dem Ende des Krieges gegen Schweden stellte Gestütsmeister Johann Uldrik fest, was übriggeblieben war: Der Stamm auf Frederiksborg, samt Stammhengst. Dieser war „spaettet“ (getigert) und wurde Rantzou genannt. Mit Christian V, ging Dänemark einer hippologischen Glanzperiode entgegen. Er selbst war ein exzellenter Schulreiter und Pferdekenner. Vor allem verstand er es, bedeutende hippologische Persönlichkeiten an seinen Hof zu binden. Oberstallmeister Anton Wolfs züchterische Verdienste wurden dadurch belegt, dass er im Jahr 1680 die weißen und bunten Stuten von den gelben und grauen trennen ließ. Er erreichte damit, dass der weißgeborene Stamm im Jahr 1683 bereits 18 Stuten zählte, worauf der dänische Hof bald darauf zum ersten Mal die Staatskarosse mit sechs weißgeborenen Hengsten bespannen konnte.

Der Beginn der Zucht auf Gut Knabstrup

Als Major Villars Lunn 1798 das Gut Knabstrup von seinem Vater übernahm und Stuten vom Gestüt Frederiksborg kaufte, betrachtete er sich nicht als züchterischer Erneuerer, sondern als Bewahrer des alten Frederiksborger Blutes. Major Lunn kaufte von einem Pferdehändler namens Flaebe eine gefleckte Stute, die er dann ebenfalls so nannte „Flaebehoppen“. Ein solches Pferd war wie geschaffen für die Knabstrupper-Zucht. Sie war von der alten spanischen Rasse und hatte Leistung gezeigt. Allein die Reise über Tausende von Kilometern von ihrem Heimatland Spanien nach Dänemark kennzeichneten sie als würdige Stammmutter und Gründerin der Knabstrupper-Zucht. Gedeckt wurde die Stute 1812 mit einem isabellfarbenen Frederiksborger Hengst. Das Ergebnis war ein Hengstfohlen mit Namen Flaebehingsten, das auf Gut Knabstrup eine eigene Zucht begründete. Vom Flaebehingsten erzählt man, dass Mähne und Schweif weiß gewesen sind, und der Körper von vielen Flecken mit unterschiedlicher Farbe überzogen war. Ein berühmter Nachfahre des Flaebehingsten mit Namen ”Mikkel”  wurde 1818 geboren  und gilt als der Gründerhengst der Knabstrupper Rasse. Mikkel war seinerzeit ein sehr bekanntes Rennpferd, das souverän gegen die besten Pferde der Welt gewann. Nur ein mal in seiner ganzen Laufbahn als Rennpferd verlor er ein Rennen! Im Alter von 18 Jahren zog er sich im Rennen eine Verletzung zu und lahmte daraufhin, so dass seine Gegner an ihm vorbeiziehen konnten. Zu dieser Zeit sprach man häufig von ”Mikkel”, wenn man einen Knabstrupper meinte.

Die Geschichte von Coureur

In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts entstand auf Gut Knabstrup und der angrenzenden Gegend eine gefestigte Zucht. Auch Adelige und Offiziere entdeckten die getigerten Pferde und lernten sie lieben und schätzen. Viele Knabstrupper wurden auch in den schlesischen Kriegen 1848-1850 eingesetzt. Im Jahre 1684 verstarb der älteste bekannte Knabstrupper! Es war der hohe Schule Hengst Coureur, den man noch heute ausgestopft in der Reitschule auf Christiansborg in Kopenhagen bewundern kann. Durch folgende Begebenheit ging er in die Geschichte ein: Im 16. Jahrhundert war es Tradition in England Pferderennen abzuhalten. Zwischen dem Engländer Robert Molsworth und dem dänischen Oberstallmeister Baron Anton Wolf von Haxthausen begann ein Streit. R. Molsworth stellte die Behauptung auf, dass sich die dänischen Pferde mit den englischen Pferden nicht messen könnten. Diese würden keine Ausdauer besitzen, noch seien sie leistungsfähig. Die beiden schlossen darauf hin eine Wette ab, wobei der Sieger dem Gegner 1000 holländische Dukaten zahlen musste. 35 km lang war die zu bewältigende Strecke, von Schloß Frederiksborg in Hillerod nach Schloß Christiansborg in Kopenhagen. Diese sollte in 45 Minuten bewältigt werden. Coureur erreichte Schweiß gebadet nach 42 Minuten als erster das Ziel! Die Freude über den Sieg, der die Ehre der dänischen Pferde rettete, war riesengroß. So vergaß man im Freudentaumel sogar sich um das Pferd zu kümmern. Coureur brach vor Erschöpfung tot zusammen. Man beschloss daraufhin ihn aus Ehrerbietung auszustopfen, in seiner Lieblingsübung, dem vornehmsten aller Schulsprünge: der Kapriole.

Von Rückschläge und unkontrollierte Zucht zur Gründung des Knabstrupperforeningen for Danmark

Als Sigismund Lunn 1870 die Leitung von Gut Knabstrup übernahm, waren nur noch wenige Zuchttiere getigert. An einem Sommerabend im Jahr 1891 schlug während eines Unwetters der Blitz in den reetgedeckten Pferdestall auf Gut Knabstrup ein, wodurch 22 Zuchttiere starben. Sigismund Lunn züchtete mit Knabstrupperhengsten aus fremden Besitz weiter. Natürlich hatte die Zucht von Gut Knabstrup auch auf das lokale Zuchtgeschehen Einfluss. So gab es auch außerhalb von Gut Knabstrup viele Pferde, die aufgrund ihrer Abstammung und ihrer Farbe als Knabstrupper bezeichnet wurden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis hin zum Ende der 60iger Jahre wurde allerdings auch unkontrolliert gezüchtet. Von 1932 bis 1970 wurden regionale Vereine zur Erhaltung des Knabstruppers gegründet, die allerdings nicht sehr erfolgreich waren.  Erst Anfang der 70er Jahre wurde der dänische Knabstrupper-Verein landesdeckend und hieß somit ”Knabstrupperforeningen for Danmark”. Heute gibt es leider nur mehr ein paar Hundert “echte Knabstrupper” weltweit. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dann in Deutschland die IG Knabstrupper gegründet. Dort versuchen einige Liebhaber den barocken Knabstrupper mit persönlichem Engagement und großem Einsatz zu erhalten, bzw. sein Fortbestehen zu sichern. Sehen wir dagegen nach Dänemark, so werden wir mit Bedauern feststellen, dass wir dort kaum ein als Knabstrupper eingetragenes Pferd mit mehr als 30% Knabstrupperblut finden.

Rassemerkmale der Knabstrupper

Knabstrupper sind hauptsächlich weiß mit braunen oder schwarzen Tupfen an Kopf, Körper und Beinen. Der alte Typ war kräftig mit einem eher groben Kopf. Durch seine Schultern und den kurzen, kräftigen Hals ist er gut geeignet für die Arbeit im Geschirr. Durch Kreuzungen allein der Tigerscheck Farbe wegen ohne Rücksicht auf Gebäude und Konstitution hat sich die Qualität der Rasse sehr verschlechtert, aber Knabstrupper waren sehr beliebt als Zirkuspferde und ideal für Voltigiernummern. Wie beim Frederiksborger ist der alte Typ selten geworden. Jeder kann auf den ersten Blick sehen, dass der Knabstrupper äußerlich seine Eigenart durch seine Farbe hat. Dass sein Interieur oft genauso eigenartig ist, bemerkt man meistens erst zu spät. Knabstrupper können, wenn sie sich unterfordert fühlen, auf die eigenartigsten Ideen kommen. Kann man dem Knabstrupper aber einen Lebensinhalt bieten, sein Interesse gewinnen, ihn an eine Aufgabe heranziehen, so kann man erleben, dass er sich mit großer Passion dieser Aufgabe widmet. So war es eher sein Charakter als die Qualität und Farbe, die den Knabstrupper über Jahrhunderte begehrt machte. Diese Charaktereigenschaften können ihn heute auch zu einem guten Sport- oder Freizeitpartner machen. Der Knabstrupper ist im positiven wie im negativen Sinne ein ausgesprochenes Original. Er nimmt in den richtigen Händen seine Aufgabe mit Leib und Seele wahr, ob in der Hohen Schule oder als Kindertherapiepferd. Er kann aber unter der Führung eines ungeschickten Reiters genauso gnadenlos zeigen, wer der Klügere ist.

Es ist sehr schwierig, sich den idealen Knabstrupper Typ vorzustellen, da es einen reingezogenen Knabstrupper nicht mehr gibt und auch die Ursprungsrasse – der Frederiksborger – sich typenmäßig geändert hat. Die Zucht erstreckt sich über sehr uneinheitliche Typen, sogar Minizüchtungen.

Typmäßig entsprach der damalige Frederiksborger, und damit auch die Zucht auf den Adels- und Gutgestüten – hierunter auch Gut Knabstrupp -, den anderen europäischen Barockpferderassen, die uns in den iberischen Pferden und dem Lipizzaner bis heute erhalten geblieben sind. Der Knabstrupper hat eine kräftig bemuskelte Oberlinie, eine hohe Aufrichtung und somit gute Gamnaschenfreiheit. Die Oberlinie des Halses geht zurück bis zum höchsten Dornfortsatz, somit ist kein Axthieb zu sehen. Der Knabstrupper hat einen Ramskopf, oder eine Ramsnase, es gibt aber auch Knabstrupper mit geradem Profil. Das Fundament des klassischen Knabstruppers ist erstaunlich leicht und trocken. Schwere Beine deuten auf landwirtschaftliche Eignung hin, wobei aber die Hufe kräftig sein sollten. Die gestreiften Hufe vereinen die Geschmeidigkeit der weißen Hufe mit der Härte der schwarzen. Da diese Färbung aber Zufall ist, kann man erleben, dass ein und dasselbe Pferd verschiedene Hufe hat: einen weichen weißen, einen harten schwarzen und zwei harte und geschmeidige schwarz-weiße, wobei jeder Huf eine andere Pflege bedarf : der weiche Huf darf nicht zu nass werden, der schwarze nicht zu trocken. Der Knabstrupper hat ein Stockmaß zwischen 1,55 m und 1,65 m. Die Größe kann aber noch mehr variieren. Im Schritt liegt die Stärke des klassischen Knabstruppers, er ist außergewöhnlich raumgreifend. Im Trab sollte das Pferd sich hinten eher tragen lassen als zu schieben. Der Trab sollte etwa kniehoch und raumgreifend sein. Der Galopp sollte bergauf sein. Das Langhaar der Knabstrupper ist oft seidig und bedarf einiger Pflege, um üppig zu sein.

Tigerschecken und Weißgeborene

Weißgeborene sind keine Schimmel, sondern  – wie der Name bereits aussagt – weiß geboren. Schimmel, die schwarz, rot oder braun geboren werden, besitzen einen genetischen Defekt, der zu einer vorzeitigen Alterung und Weißfärbung des Haares führt. Der Tigerschecke gilt als schwächere Variante der Farbgenetik während der Weißgeborene ist die Stärkste Farbvariante in der Farbvererbung ist. So entstand mit der Zeit durch Verstärkung der Gene die Zucht der einst berühmten dänischen Frederiksborger-Weißgeborenen. Eine weitere bekannte – heute leider in Vergessenheit geratene – berühmte Weißgeborenen-Zucht etablierte sich in Herrenhausen bei Hannover. Das bekannte Niedersachsenroß ist hieran angelehnt. 

Die Legende der Beduinen

Die Beduinenstämme in Arabien erklären sich das Entstehen der Tigerscheckung auf folgende Weise: Ein verwundeter, bewusstloser Beduine wurde von seiner hochträchtigen Stute tapfer nach Hause getragen. Sein Blut verschmutzte die Schulter seines Tieres. Das Fohlen welches die Stute daraufhin gebar, hatte eine rote Färbung auf der Schulter (sog. ”bloody shoulder”-Färbung). Seitdem stehen die Tigerschecken symbolisch für Treue und Leistungsfähigkeit.

Exkurs: Crop Outs

Auch heute werden immer wieder bei Vollblütern und anderen Rassen Fohlen mit weißen Flecken von einfarbigen Pferden geboren. Diese Tiere nennt man ”Crop Out”, was soviel wie plötzlich auftauchend bedeutet. Die Gene, die diese Farbe beeinflussen werden Rezessive genannt.

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„Du triffst nicht auf ein Pferd zufällig. Es ist das Schicksal, das dich zu ihm führt.“

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